Eine Pathologie des Staubs

Verfall und Pestilenzia

Eine Pathologie des Staubs

Staub! … Oh, Staub! …Geißel alles Irdischen. Unerbittlich überbringst du Kunde von Zerfall, Verderben und Pestilenzia. Unzählige rechtschaffene Seelen suchtest du heim in ihren Herbergen, nistest in jeder noch so wohligen Ecke, in Boudoirs und unter Baldachinen, in Bosheit und Habgier. Bist es nicht du, der sie quält und peinigt, Äonen aufopfernder Hausherren und Weibsbilder, bis hin zur Selbstkasteiung? Sie überfällt und erschüttert wie Hannibal die kathargischen Grundfesten, aschfahl und geifernd-grinsend deine fasrigen Krallen ausfährst wie Schlangen auf Medusas Haupt? Oh, Staub! Ich durchschaue deine List! Eine blasphemische Wahrheit, die du uns braven Bürgern da aufzutischen ersuchst! Erweckt und zerstört werden in ewiger Wiederkehr, die Genesis verhöhnend? Eine animalische Urgewalt, der wir nicht Recht sprechen können? Das Alpha und das Omega? Ein Trugbild, Ach! Denn was bist du denn schon ohne uns? Nichts! Myriaden geballter Leere, eine Ausscheidung des Unnützen, derer wir überdrüssig sind. Kein Körnchen deines erbärmlichen Daseins wird seinen Weg in die Geschichtsbücher finden, solange wir es nicht für genehm erachten.

Stark fühlen magst du dich wohl, wenn die schweren Räder der motorisierten Kutschen draußen vor dem Tore deinesgleichen auf dem harten Kopfstein zurücklassen, dich aus ihren schwitzenden Rohren pusten wie den Bastard einer Nachgeburt; Wenn die Schlote der Handwerksstuben und Manufakturen deine Niedertracht in die Jungfräulichkeit unserer Welt entsenden. Stark, ja, wenn du dich anschickst, unseren Äther zu korrumpieren und unseren Odem zu vergiften, garstig in die Flügel unserer Lungen krauchst, um dein schändlich Werk zu vollenden. Wenn du, heimtückisches Stück, das du bist, in unseren Rücken fällst, dich mit in unsere Gemächer schleichst, ein ungebetener Gast mit schlechtem Leumund und ohne eine Dublone im Gewand. Dich ungehemmt nährst an den Überresten trockener, greiser Schichten Haut, uns längst nur noch zur Last gereichend. Ja, fühl dich nur stark, der du das Offenbare nicht zu glauben magst: Immer sind es Wir. Wir sind Du. Ach, ein Hohn! Du bist nicht mehr als ein in tausend Scherben erbrochener Spiegel unseres Vergangenen. Schmutz! Abschaum! Wir sind es die dich erschaffen – Und nur wir, die dich vernichten können, mit einem einzigen Federwisch der Ohnmacht des Vergessens unterwerfen.

Welch einseitige Tragik du doch durchlebst, ein unaufhörlicher Kampf Gut gegen Böse, der nur dein Ende sieht. Weil du kein Maß kennst, dir nicht Einhalt gebieten lässt. Und Gott weiß, auch ich habe versucht, den Höllenkreis zu durchbrechen, mit dir zu leben. Erinnerst du dich, Staub? An unser letztes Domizil? Die galligen Nachbarn, der gedankenlose Gutsherr, die kalten Mauern in der finsteren Stadt, zum Scheitern verdammt. Das pechschwarze Bodenlose, Eine Misere zum Wegschauen. Und so habe ich weggeschaut, dich ignoriert, dich dein perfides Spiel aus Macht und Besitzen spielen lassen. Und weshalb auch nicht? Wie du ein Teil von mir bin ich Teil deiner, Yin und Yang, harrend unter demselben Damoklesschwert des unausweichlichen Untergangs. Du magst Legion sein, aber sei dir sicher: Auch dein Wachsen ist endlich. Gesehen habe ich es mit eigenen Augen. Konntest mich nicht brechen, machtest mich nur stärker, hast mich gehärtet wie der Schmied die Klinge für seinen König. Konntest nicht obsiegen und übtest dich in Genügsamkeit.

Doch, welch Frevel. Welch arge Täuschung. Judas! Nein, nur Verrat stünde deiner garstigen Fratze noch zu gut zu Gesicht. Brutus! Ja! Die Iden des März. Plantest im Geheimen, wolltest dich anpirschen, mich vernichten. Dich einweben in jede Faser, Mobiliar und Stoffe ihres Farbenspiels berauben. Auf das kein Mensch mein Leben schauen könne, ohne mir die bittere Röte der Scham in das Antlitz zu treiben. Wolltest Armeen heranzüchten aus Milben und winzigstem Kriechgetier, mir den Schlaf der Gerechten streitig machend. Niemals! Nicht mit mir! Du, du magst der Teufel sein, aber ich? Ich bin Ahab! Und habe nicht vor, in deinem alles verschlingenden Maul zu Grunde zu gehen. Mein Rächen wird grausam sein, keine Gnade üben, denn Du, schäbiger Wiedergänger, du verdienst kein Mitleid. Dein Licht werde ich aushauchen mit der Wucht von Drachenfeuer, kein Quantum deiner malignen, krankhaft-wurzelnden Existenz unberührt lassen. Habe Gewissheit, dass nach dir nichts sein wird, keine Generationen buckliger Geschwüre, gekommen, dein perverses Vermächtnis fortzuschreiben. Und wenn ich mein Heim verlassen und eine neue Bleibe finden muss, um mich dir auf alle Zeit zu entledigen, dann soll es so sein! Und bei Gott, Ja! Das habe ich getan. Denn mit dir ist kein Gespräch, ist kein Verhandeln, mit dir ist nur Krieg und Leid, ewig und immerfort. Und nie mehr soll ich wandern im finsteren Tal, zulassen dein falsch Zeugnis. Ich habe dich erkannt, Staub! Dich, den Gehörnten, stampfst mit schwefelndem Huf. Wohlan, so plane deinen nächsten Zug. Im Purgatorium sehn wir uns wieder!

3 Gedanken zu „Eine Pathologie des Staubs“

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