Three billboards outside Ebbing, Missouri – Review/Film

Three billboards outside Ebbing, Missouri - Trailer (Official)

Three billboards outside Ebbing, Missouri

Drama / Tragi-Komödie

25.01.2018 (D) -- 116 min

R:
Martin McDonagh

D:
Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell

…and justice for all

Manchmal braucht es keine Einleitung. Kein zwielichtiges Anteasern, keinen faden Aufhänger. Solche, die mit den billigsten falschen Fährten den geneigten Leser neugierig machen, in Sicherheit wiegen sollen, um dann im Text eine gänzlich andere Richtung einzuschlagen. Manchmal bespricht man ein Werk, dem man mit solch primitiven Finten zu keiner Sekunde gerecht werden kann. Ein Werk, das in seiner erzählerischen Urgewalt und traumwandlerisch sicheren Regie zwischen Komödie, Tragödie, Groteske, Thriller, Horror, zwischen bleierner Kälte und zutraulicher Sanftheit einen dramaturgisch derart gekonnt großen Bogen spannt, dass ein jedes einleitend sortierende Wort nur verlieren kann.

Und Three billboards outside Ebbing, Missouri, Martin McDonaghs dritter Kinofilm, braucht einen solchen Prolog ja auch nicht, keine langen Erklärungen und pathetischen Ouvertüren. Um mitten ins Geschehen geworfen zu werden und sich fesseln zu lassen, genügen ein paar prägnante eröffnende Bilder, eine bestechende Atmosphäre zwischen verhüllender Tristesse und warmen Sonnenstrahlen. Und es braucht ein Darsteller-Ensemble, welches mit unbändiger Verve und Fingerspitzengefühl schon in den ersten Momenten große, persönliche Geschichten schreiben kann.

Drei Werbetafeln, nebelverhangen an einer vereinsamten Landstraße – Schnitt – Auftritt: Frances McDormand! Ihre Mildred Hayes poltert in einer Melange aus Wut, Pragmatismus und Zielstrebigkeit in das Büro des sommersprossigen Werbejungen Red Welby (Caleb Landry Jones). Jene drei Werbetafeln will die alternde Frau in ihrem Ganztags-Overall mieten und sicher nicht mit sich debattieren lassen – Schnitt – Der cholerische Officer Jason Dixon (Sam Rockwell) passiert die drei Werbetafeln: „Raped while dying“ – „Still no arrests? – „How come, Chief Willoughby?“ … Sieben Monate sind vergangen, seit Mildreds Tochter Angela an genau dieser Stelle brutal gefoltert und getötet wurde.

Und freilich ist der so attackierte Chief Willoughby (Woody Harrelson) nie desinteressiert an diesem Verbrechen vorüber gezogen, sondern hat alles in seiner Macht stehende zur Aufklärung getan – und hat nebenher noch mit ganz anderen persönlichen Problemen zu kämpfen. Bei aller polizeilichen Härte zeigt er Verständnis für die desillusionierte, noch immer apathisch mit ihrer Trauer kämpfende Mutter. Nur lässt sich das über den Großteil von Ebbing, Missouri nicht behaupten, denen die neue mediale Aufmerksamkeit und die Infragestellung ihres Freund und Helfers – man kennt sich in einer Kleinstadt – so gar nicht schmecken. Und Dixon, dieser jähzornige Heißsporn und gewalttätige Rassist, der sieht sich angegriffen und startet einen ganz persönlichen Rachefeldzug.

Am Ende von Three billboards outside Ebbing, Missouri wird keine der auftretenden Figuren mehr die sein als die sie zu Beginn grob skizziert wurde. Nicht indem sie eine grundlegende Wandlung durchgemacht hätte, dazu ist der britisch-irische Regisseur McDonagh bei allem Hang zur absurden Überhöhung ein viel zu bodenständiger Beobachter. Nein, dem Zuschauer bleibt das Handeln der Charaktere stets glaubwürdig, sind ihre Schlenker und Abbiegungen beim gegenseitigen Aufeinanderprallen immer nachvollziehbar. Es ist eine dieser vielen kleinen Großartigkeiten, die Three billboards… so besonders machen.

Keine Raum füllenden Aha-Momente, vielmehr ein ehrliches Interesse an den Persönlichkeiten hinter den Darstellerskizzen. Ein untrügliches Gespür dafür, dass auch die letzte Nebenrolle noch relevant ist und etwas zu sagen hat. Das gilt für Willoughbys Frau Anne (Abbie Cornish) ebenso wie für Mildreds Sohn Robbie (Lucas Hedges), der auf eigene Art mit dem Tod seiner Schwester umgehen will, vergessen und nicht ständig und überlebensgroß darauf hingewiesen werden möchte. Das gilt auch für den kleinwüchsigen Gebrauchtwagenhändler James (Peter Dinklage), der mehr ist als nur Staffage für den schnellen Lacher. Mildred selbst ist dabei genauso wenig Sympathieperson wie Jason Dixon gewissenloses Monster ist – und das Publikum fällt mitten hinein in all diese Grauzonen und wird so unweigerlich von dem zu Herzen wie an die Nieren gehenden Geschehen mitgerissen.

Oscar

Martin Mc Donagh etabliert sich nach seinem gefeierten Debut Brügge sehen … und sterben und der absurden Fingerübung 7 Psychos endgültig als meisterlicher Geschichtenerzähler und Autorenfilmer und wird von den durchweg erstklassigen Schauspielern kongenial unterstützt. Natürlich sticht Frances McDormand als alles überstrahlender Fixpunkt Mildred Hayes hervor, schon Sekunden in ihrem Auto genügen der Oscarpreisträgerin (für „Fargo“), allein über präzise Mimik ihr ganzes Seelenleben zu entblättern. Dazu trifft Three billboards… über gleichermaßen unaufgeregte wie prägnante Bilder und einen stimmigen Soundtrack stets den richtigen Ton zwischen Destruktion und Annäherung, zwischen Tragik und Humor. Überhaupt ist dies McDonaghs größter Magiertrick: Wie er es schafft, der bitteren Grundprämisse immer wieder himmelschreiend komische und groteske Momente entgegen zu setzen und seinen Film dabei nicht aus der Bahn zu werfen, grenzt an ein Wunder.

Schließlich hat die Ausgangssituation nichts Witziges und wird zu keiner Sekunde der Lächerlichkeit preisgegeben. Einige Situationen, gerade bei den Auftritten von Sam Rockwells Dixon, sind tatsächlich kaum zu ertragen. Und nicht zuletzt die messerscharfen Dialoge lassen keinen Zweifel, dass Three billboards outside Ebbing, Missouri bei aller Leichtigkeit doch immer harter Tobak bleibt. Der Film stellt elementare Fragen nach Schuld, Sühne und Verantwortung und kennt trotz leisen Hoffnungsschimmern keine einfachen Antworten. Es ist vielleicht das einzige Manko dieser 116 Minuten, dass Regisseur McDonagh neben all seinen bedeutungsvollen Themen immer noch höher schichten und von Polizeiwillkür, Rassismus, häuslicher Gewalt und Reaktionismus berichten will – und dabei zeitweilig etwas selbstgenügsam als reiner Stichwortgeber agiert. Doch verflüchtigt sich derart mikroskopische Kritik in einem ansonsten nahezu in allen Belangen perfekten Stück Kino-Drama, das mitreißt, aufwühlt, zum Lachen bringt und zum Nachdenken anregt – und dem sein aufrichtig optimistischer Grundtenor stets wichtiger ist als der kurze Aufreger.

Bewertungssystem 6.0

2 Gedanken zu „Three billboards outside Ebbing, Missouri – Review/Film“

    1. Habe lange mit mir gerungen ob 5.5 nicht doch objektiver gewesen wäre. Hab mit dem Totschlag-Argument Klassiker-Potenzial gespielt. Aber sei’s drum: Er funktioniert nun einmal auf allen Ebenen perfekt und ist in seinen extrem harten Drama/Komik-Kontrasten dabei noch ziemlich mutig.

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