The Party - Trailer (Official)
The Party
Komödie / Kammerspiel
27.07.2017 -- 71 min
R:
Sally Potter
D:
Kristin Scott Thomas, Patricia Clarkson, Cillian Murphy, Bruno Ganz
„Ich bin durchaus nicht zynisch, ich habe nur Erfahrung!“
Ob April Oscar Wilde im Sinn hatte, als sie sich endgültig aus der parlamentarisch-demokratischen Landschaft zurückgezogen hatte, sei dahingestellt, ist aber zumindest denkbar. Denn Erfahrung, die hat sie. Erfahrung mit einer trägen Bürokratie, die jedes noch so drängende Problem endlos zermahlt, bis nur ein dicker Schleier bleibt – ein Staubfilm, feingefräst von Menschen, die im Dienst der „guten Sache“ alles zerreden und doch nichts beim Namen nennen. „The Party“, das könnte die perfekte Bühne für die scharfzüngige und von Patricia Clarkson auf den Punkt gebissene April sein – Eine Bühne, von Regisseurin Sally Potter einzig in den Grenzen eines Londoner Upperclass House ausgebreitet, kondensiert auf gerade einmal 71 lückenlose Minuten voll grandioser Dialoge, spitzer Pointen und bitterer Wahrheiten zwischen Missgunst, Verrat, Post-Post-Feminismus und politischer Destruktion, denen keine Mauer standhaft genug sein kann. Doch ist es gar nicht ihre Bühne, die der ach so schlagferigen Zynikerin April, die den sukzessiv bis auf die Grundmauern bröckelnden Fassaden ihrer hochglänzenden Mitspieler bald nur genau so fassungslos gegenüber stehen kann wie der amüsiert-voyeuristische Zuschauer.
Es gibt schließlich etwas zu feiern: Janet (Kristin Scott Thomas), ihrerseits leidenschaftlich-ehrliche Parlamentarierin und dennoch Aprils beste Blutsschwester, wurde zur Gesundheitsministerin im Schattenkabinett gewählt. Eine Frau, oben angekommen in der Nahrungskette, hinter ihr der Professoren-Gatte Bill (Timothy Spall), der sie wohl über den steinigen Weg ihrer steilen Karriere tatkräftig unterstützt haben mag, jetzt jedoch mit Champagner in der rechten und Rotwein in der linken Hand, eingesunken im Altherrensessel, nur mehr ein abwesend-delirierendes Trauerspiel abgibt. Im Schneidersitz dabei Gottfried, Aprils mitgeschleifter deutscher Lebensabschnittsgefährte, ein von Bruno Ganz herrlich verschroben gespieltes Unikat aus Esoterik-Guru in Bauernweste, klinisch naiv und mit kindlichem Glückskeksgrinsen Hippie-Weisheiten verteilend. (April: „This will be our last supper!“) Nein, die Männerwelt hat es schwer in Potters Versuchsanordnung, daran wird auch der bald hinzugesellte hypernervöse Vorzeigebanker Tom (Cillian Murphy) nichts ändern können, der sich schwitzend und stotternd erst einmal ins örtliche Notdurftareal für eine feine Line weißes Gold verziehen muss. Nicht einmal seine Frau Marianne, enge Vertraute Janets, konnte er als Begleitung für diesen Abend überreden, an dem der neuen Hoffnungsträgerin der Partei („Party“) Ehre zuteil werden soll. Gast sechs und sieben in der „Party“-Gesellschaft machen da doch einen viel annehmlicheren Eindruck: Martha (Cherry Jones), ebenfalls Professorin, ist mit ihrer angetrauten Studentin Jinny (Emliy Mortimer) geladen, ein lesbisches Bilderbuch-Pärchen, welches – begünstigt durch den Einsatz hormoneller Frischzellenkur – freudig das Herannahen dreier nagelneuer Lebewesen in Jinnys Uterus verkündet. Ein Grund mehr für einen ausgelassenen Abend, hätte der geistesabwesende Janet-Anhang Bill nicht noch ein oder vielmehr zwei schmerzliche wie brisante Geständnisse vorzutragen. Und warum hat der zugedröhnte Prada-Finanzmann Tom eigentlich eine Waffe im Gepäck?
Diese Waffe bekommt das überrumpelte Publikum gleich in der ersten Szene zu spüren: Die schwere, mit Löwenklopfer verzierte Tür des Linksintellektuellen-Domizils öffnet sich und eine weit weniger galante, vielmehr allen gesunden Verstandes beraubte Janet hält den Lauf direkt in die Kamera, zum Äußersten bereit. Wie es zu diesem Zusammenbruch kommen konnte, das erfährt man im Laufe der folgenden guten Stunde temporeichen, bitterböse-pechschwarzen Dialoggewitters, in dem die Regisseurin ihre noble Klientel aller schützenden Hüllen beraubt und genüsslich die gut gespielte Charade vornehmer Etikette in ihre giftig-galligen Einzelteile zerlegt. An Roman Polanskis „Gott des Gemetzels“ kommt man als Referenz freilich nicht vorbei, nur geht es Sally Potter nicht um die diebische Freude an der Eskalation, jede sich gegenseitig hochschaukelnde Gemütslage hat ihren aus der Handlung natürlichen Ursprung. Nicht umsonst weiß der erfahrene Zyniker, dass jede perlweiße Weste im Innenfutter nur umso schmutziger sein muss und im kleinsten eisigen Windzug nach außen gewendet werden kann. Näher ist die Regisseurin bei „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, ohne zwar das Abgründig-Psychologische eines Burton-Taylor-Explosivgemischs ausloten zu wollen, aber über gestochen scharfes Schwarz-Weiß nicht nur das Grundlegende der Geschichte zu entblättern, wie sie selbst sagt, sondern vielmehr Graustufen zu offenbaren, welche die Personen jenseits von Gut und Böse verorten. Denn wirklich sympathisch ist hier niemand. Aber genau wie Jinny und Marthas „Everybody’s Darling“-Konstellation nimmer so perlweiß bleiben kann wie angedeutet, genauso wenig Soziopath ist der hibbelige Banker Tom, wenn der Vorhang fällt. Ohne vorweg zu nehmen: Wenn Kristin Scott Thomas ihre beeindruckende Wandlung von der gewissen-und ehrenhaften Grand Lady zur aufgelösten Furie vollendet hat, begegnet der Zuschauer wieder dem Pistolenlauf – In einer Szene, die das Geschehen derart neu definiert und Figuren in völlig neuem Licht erhellt, dass Vergleiche mit Orson Welles‘ „Rosebud“ nur folgerichtig sind.
Bis dahin hat „The Party“ sowieso alles entlarvt, was der wohl situierten Oberschicht heilig ist: Zivilisatorische Vernunft, der sichere Hafen ehelicher Aufrichtigkeit, der heilige Gral weiblicher Selbstbestimmung („You’re a first-rate lesbian, but a second-rate thinker“), die Unmöglichkeit einer Kausalbeziehung aus Deutsches-Reich-Vergleichen mit den Errungenschaften moderner Medizin, selbst die hilflose Unsinnigkeit, das Ideal gesellschaftlichen Gestaltens innerhalb eines verkrusteten Systems zu erwarten, unter dessen Deckmantel sich auch nur Machtgier und Narzissmus Bahn brechen – Überstrahlt von der zeitgleich zu den zweiwöchigen Dreharbeiten stattgefundenen Abstimmung des britischen Souveräns zum Brexit. Dieser Querverweis jedoch verbleibt dem Betrachter, Sally Potter gelingt es weit weniger offensiv, die selbstgefällige Nabelschau politischer Würdenträger mitsamt ihrer Intrigen und aufgesetzten Eitelkeiten durch die Manege zu hetzen. Außerdem soll ja hier auch nicht das Lachen im Halse verenden. Und während der Kinogänger noch die Überreste seiner durchgeschüttelten Zwerchfellreste vom Boden aufklaubt, auf dem es sich der allwissende Zyniker in Fötus-Stellung gemütlich gemacht hat, wird er den 2017 wohl treffsichersten Kommentar zu schamlos elitärer Elfenbeinturm-Befindlichkeit wohl nicht so bald wieder abschütteln können.
Der ist wirklich außerordentlich gelungen. Ich hab schon lange nicht mehr so einen kurzweiligen Film gesehen in dem die Zeit so schnell verfliegt und danach nichts mehr ist, wie zu Beginn angenommen. Andere Regisseure brauchen dafür 160 Minuten und da zieht es sich stellenweise wie ein geschmackloses Kaugummi (Ja, ich war vor ein paar Tagen im neuen Blade Runner^^).
Aber der soll doch so unglaublich übertastisch sein, denke ich!? Gut, ich hole den die nächsten Tage auch nach, hab ja immer noch Vertrauen in Villeneuve.
Der Macht vertrauen du musst…