Bibber. Zitter. Kalt, kälter, Gefrierbrand. Ein frostiges Klima bahnt sich seinen Weg, hält Einzug hier wie anderswo – und daran ist das Wetter auch nur bedingt Schuld. Ein Klima allgemeiner Eiseskälte, das schon lange da war und immer nachhaltigere Furchen zieht. Kurzluntige Probanden an der Schwelle zur reizüberfluteten Intensiv-Eskalation. Miteinander reden war gestern – Mahnend mit den Fingern fuchteln, Stigmatisieren und Anprangern gehört die Zukunft. Wenige Sonnentage helfen kaum, Monate lange Trübnis aus dem Kreislauf der Menschen zu pusten. …Und nicht einmal Game of Thrones kommt vor 2019 zurück, um gepflegt von der ganzen Alltags-Misere abzulenken. Wo soll das noch hinführen?
Karneval ist Krieg … oder Rassismus? Oder beides?
Herbert Bartl, Viktringer Ring 1A, A-9020 Klagenfurt, Haider Fasching 2006, CC BY-SA 3.0
Zeit Online! Die Zeit! Was lässt sich da schönreden? Vor nicht allzu langer Zeit noch ein lesenswertes Printmedium mit kleinem Web-Anhängsel für den Aufmerksamkeits-defizitären Mainstream. Mittlerweile gerade in seiner Online-Präsenz an plumpester, effektheischendster Schwachsinnigkeit kaum noch zu unterbieten. Und welche Teilzeit-Praktikanten und Pseudo-Expertösen dort als Kolumnisten durchgehen, will man bei Licht gar nicht betrachten. Neueste unumstößliche Weisheit: Fasching ist rassistisch, weil Indianerkostüme kolonialisierendes Denken reproduzieren. Und „Blackfacing“ und „Cultural Appropriation“ sind nicht nur schöne Worte vong Anglizismus her, sondern stellen den bösen Weißen ipso facto unter Generalverdacht.
Jetzt könnte man natürlich meinen, dass Karneval eine grundlegend bescheuerte Kiste sei. Oder dass Verkleidungen immer schon mit oberflächlichen Rollenklischees hantiert haben. Oder dass viele nicht kreativ und wagemutig genug sind, um als Kartoffel oder Streichholz zu gehen und das Exotische den kleinen gemeinsamen Nenner darstellt. Oder dass Stereotypisierung nicht gleichbedeutend mit Alltagsrassismus ist. Oder dass Leute nicht verstehen, wieso sie als Kinder Cowboy und Indianer spielen durften, jetzt aber differenzieren müssen, weil sie im Zuge ihrer Sozialisation schon per Definition Rassisten geworden sind. Oder dass es in dieser jüngsten Debatte wieder nicht um Grundlegendes geht, sondern der nächste kleine Aufreger gesucht und gefunden wird, um anderen den konturlosen Schlechtmensch-Stempel aufzudrücken. Aber dann müsste man am Ende noch diskutieren, wo sich Hexenjagden gerade im Fahrwasser von #metoo doch so schon selbstlaufend inszenieren lassen.
Peng! Du bist tot!
Apropos Räuber und Gendarm: Die Klatsch-Postillen haben eh schon wieder die nächste unwiderlegbare Schlagzeilen-Großtat in der Hinterhand, so schnell kann man “oberflächlich” gar nicht buchstabieren. Aber freilich lässt sich auch der neueste tragische Vorfall an der Parkland High School in Florida zwischen fehlgeleitetem jugendlichem Spieltrieb, Ego Shootern, Musikvideos und persönlicher Vernachlässigung wasserdicht erklären. Während man sich wie üblich mit den Waffen-vernarrten Amis als Allrounder-Buttermilch-Psychologie begnügt.
Derweil begibt sich Uncle Sam in die drölfzigste hysterische Schusswaffen-Debatte und übt parallel schon das genügsame „Versanden lassen“. Denn das medial möglichst wirksame große Aufregerchen beherrschen die Yankees noch viel blinder als wir stocksteife Alt-Europäer. Weil jedem bis hin zum unterbelichtetsten Waffen-Lobbyisten klar ist, dass wieder übergangsweise und formgerecht herumgezetert und sich alsbald zurück zu Schutz von Heim, Herd und Vorgarten bewegt wird. Wie auch sonst? Unter Trump sind Handwaffenkäufe weit zurückgegangen, weil niemand mehr Wartezeiten oder Einschränkungen fürchten muss – Die Glock aus dem Kaugummi-Automat als Geschäftsmodell. Und dass das Gun Violence Archive seit dem Amoklauf an der Sandy Hook Elementary vor fünf Jahren nahezu 300 Schusswechsel mit Toten und Verletzten an US-Schulen zählt: Geschenkt!
Dabei ist es nie die rein plakative, vermeintliche Waffengeilheit, sondern eine komplexe Spirale aus Verfügbarkeit, Selbstschutz, Gegenwehr, Zweitem Zusatzartikel und gelebter Alltagswirklichkeit. Ein allgemeines Verbot so undenkbar wie die Abschaffung der Meinungsfreiheit, wird Waffenbesitz doch vielmehr als natürlicher Bestandteil derselben und als Grundrecht auf Selbstbestimmung verstanden. Dabei kann wenig gruseliger sein als die Vorstellung, Eltern könnten die Ermordung ihrer Kinder in einer zivilisierten Gesellschaft als Risiko ihrer Lebensumstände geradezu in Kauf nehmen und das Misstrauen gegenüber ihren Nächsten über das Privileg einer freiheitlichen Gesellschaft ohne Angst im Nacken stellen.
Winter is coming … Big-Time!
Und wenn alles gegenseitige Angiften, Brandmarken, Selbst- und Fremdhass in all seinen schlimmsten Auswüchsen noch nicht ausreichen, schmeißt das Miststück Wetter noch die letzten Karten auf den Tisch, um gerade in hiesigen Breitengraden auch bei den frohesten Naturen den – zumindest metaphorischen – Finger zum Abzug wandern zu lassen. Seit Oktober hat es in etwa so viel Sonne gegeben wie sonst in einem üblichen meteorologischen Februar. Grau, nass, Sturm – und der heilige Gral eines Winter-Wunderlands schaut auch nicht einmal auf Stippvisite vorbei. Nicht dass Meter-hohem Schnee, Glätte, Unfällen und dem Zusammenbruch jeder halbwegs funktionalen Infrastruktur irgendetwas Positives abzugewinnen wäre, aber die Minusgrade der letzten Tage braucht jetzt auch niemand mehr.
Aber so wie die Kontrahenten aus Gutmensch und Lügenpresse ihre Wagenburgen zur immer höheren Bastion hochstapeln, verkrustet die eisige Kälte noch jede Pore einer möglichen Annäherung. Während das Walten, Charade spielen und Pöstchen schieben unserer Landesoberen wohl nie so demütigend zu Tage getreten ist wie jetzt und alle noch so winzigen Erwartungen an die nächsten Jahre im Keim erstickt. Bleibt nur: Zu Hause bleiben, Netflix und Prime ankurbeln und das Ende der Misere vorüber ziehen lassen. Ablenkung und Weltflucht waren selten verheißungsvoller.
Nur dass der nächste Schicksalsschlag nicht lange im Boxenstopp verharrt: Keine Serie der letzten Jahre hat wohl die Gefahr eines drohenden ewigen Winters so metaphorisch geschickt verpackt wie Game of Thrones. Und dabei der Unausweichlichkeit der Hoffnungslosigkeit ein derart prägnantes Gesicht gegeben.
SPOILER
Wie sieben Staffeln lang immer wieder der Schutz der Mauer als großer Heiland und letztes Bollwerk stilisiert wird und sich diese Konstante innerhalb eines halbminütigen Wimpernschlags im Vorbeifliegen pulverisiert, spricht Bände.
SPOILER ENDE
Und jetzt fehlt auch noch das. Irgendwann 2019 soll es weiter gehen, das heißt, ein großes langes 2018 wird man sich nicht einmal mehr dafür zusammen finden können, nicht mitfiebern können, nicht diskutieren können mit Leuten, mit denen man sonst kaum Anknüpfungspunkte hat. Nur, bei Game of Thrones ist der Winter ja mittlerweile da. Und der geht auch nicht mehr weg. Und wenn man die diebische Gemeinheit von R. R. Martin richtig einschätzt, kann es nur für jeden übel enden. Noch so eine Metapher! Übertragen bewegen wir als Bevölkerung uns gerade irgendwo in Staffel 6. Faktisch wurde die Weltuntergangsuhr gerade erst auf zwei Minuten vor Zwölf vorgestellt. Und selten sollten so wenige so wenig interessiert daran sein, wie ihre Lieblings-Serie ausgeht. In diesem Sinne:
What’s so funny ‘bout peace, love & understanding?
– Nick Lowe / Elvis Costello / Kettcar