Der Schreibtisch 04/2017 – 2… 1… Lesestunde!

Heute in eigener Sache und etwas kürzer: Die Vorbereitung auf die gestrige Lesung war aber eben das, was mich vergangene Woche am Nachhaltigsten umgetrieben hat. Eine sehr angenehme und interessante Erfahrung in gemütlicher Atmosphäre – Dass Headwriting LE irgendwann auf „Tour“ geht, mit eigenen Texten vor fremden Leuten, ist zumindest im Plan. Dennoch sollen zwei Dinge hier nicht unerwähnt bleiben.

Ein laues Lüftchen…

…hat am Donnerstag die Fontanellen der Republik gerade geschoren. Den Bahnverkehr hat es stellenweise entschärft, Bäume wurden entwurzelt, Menschen sind gestorben. Ein Schnellläufer mit Namen Xavier ist über uns hinweg gezogen, ein weiterer Auswurf des momentan nur allzu gerne vor sich hin eskalierenden Schweinehundes Wetter. Mit Irma hatte das nichts mehr zu tun, dessen Ausläufer sind bereits in das mitteleuropäische Klima eingeflossen. Aber daher eben auch Wolken, Regen, Sturm, Orkan mit bis zu 150 km/h Spitze und …Dunkelheit, ständiges Zwielicht. Was der teils grauenhafte Sommer angekündigt hat, löst der Herbst gerade in seiner bittersten Konsequenz ein. Aber wie bereits vor zwei Wochen dazu geschrieben: Es sind Extreme, die allmählich zur Normalität avancieren, an dieser Erkenntnis kommt man wohl nicht vorbei. Freilich kann man sich das dennoch als Laune der Natur schön reden, wird schon besser werden nächstes Jahr. Die Leute sind sowieso schon mies drauf, sollen sie machen. Wenn man ihnen jetzt noch erzählt, dass sie in Zukunft noch viel häufiger genervt zu Hause werden bleiben wollen, als Alternative zum Weltuntergang in spe, dann drehen sie erst recht am Kläppchen.

Wie war das mit Klein-Chicago?

Und Kläppchen-Dreher braucht‘s gerade wahrlich nicht noch mehr. Es gibt Momente, da mag ich mein schönes Leipzig gerade so gar nicht leiden. Momente in immer höherer Schlagzahl, was es so beunruhigend werden lässt. Die Vergewaltigung im Rosental, Massenschlägerei am Richard-Wagner-Platz, gerade erst eine mit Messer attackierte Frau in Gohlis – Und der 34-Jährige, der vor seiner Wohnung in Plagwitz ermordet wurde. Nicht weit weg von mir, ich bin die Eduardstraße auch schon oft entlang gelaufen, auch nachts. Es soll hier auch gar nicht weiter der tragisch-sinnlose Tod einer Person zur Ausbreitung eigener Befindlichkeiten instrumentalisiert werden, aber es ist eine angespannte Situation – Eine, bei der man eben auch hofft, dass sie sich wieder beruhigt, von selbst, nur eine Zäsur darstellt. Aber wirklich glauben kann man das nicht. So ein Klima kann auch ganz ohne Wetter kälter werden und lässt sich dabei schwer umkehren. Eine gewisse Grundaggressivität, die ich andernorts immer stärker wahrnehme, spüre ich in meiner Stadt glücklicherweise (noch) nicht. Ich liebe Leipzig, fühle mich wohl hier, so wie eigentlich Jeder und Jede, die ich hier kenne und kennen gelernt habe. Und das darf sich nicht ändern, Leipzig muss weiterhin bunt, weltoffen und lebenswert bleiben.

2… 1… Lesestunde!

Roxy

Es sind Gedanken, die ich erst seit heute wirklich zulasse, bis gestern Abend war ich viel zu sehr auf die Lesung im Wolfener Jugendverein „Roxy“ fokussiert. Zum ersten Mal eigene Texte vor teils fremden Menschen verlesen: Kann überraschend entspannt und unnervös ablaufen, das wohl die für mich größte Überraschung an meiner Wenigkeit. Neben dem ganzen Spaß, den ich dabei hatte, versteht sich. Ich bin froh, dass bei all der tagelangen, dauerverregneten Tristesse dennoch Leute ihren Weg zu unserem Geschwafel auf sich genommen haben, bin dankbar für den tollen Applaus und die vielen positiven Worte und Zusprüche im Anschluss – und verbeuge mich: Zum einen natürlich vor dem Chef des Roxy, der die Bühne immer wieder frei gibt für alle, die sich kreativ austoben wollen. Vor dem M., der die Organisation des Abends so zielstrebig angegangen ist und mit seinen Beiträgen durch den Abend geführt hat. Und vor der A., die kurzfristig für den T. eingesprungen ist und mit ebenso wundervollen Geschichten und Gedichten die Lesung bereichert hat. Und so ein klein wenig verbeuge ich mich auch vor mir selbst, bei aller Bescheidenheit.

Eine Pathologie des Staubs (Auszug)

Als kleiner Teaser hier noch ein Auszug aus einem der Texte, die ich an dem Abend vorgetragen habe – mit Link zum Weiterlesen. Die apokalyptisch-shakespeareske Intonation muss man sich leider dazu denken, Papier spricht genauso wenig von selbst wie Nullen und Einsen.

„Staub! … Oh, Staub! …Geißel alles Irdischen. Unerbittlich überbringst du Kunde von Zerfall, Verderben und Pestilenzia. Unzählige rechtschaffene Seelen suchtest du heim in ihren Herbergen, nistest in jeder noch so wohligen Ecke, in Boudoirs und unter Baldachinen, in Bosheit und Habgier. Bist es nicht du, der sie quält und peinigt, Äonen aufopfernder Hausherren und Weibsbilder, bis hin zur Selbstkasteiung? Sie überfällt und erschüttert wie Hannibal die kathargischen Grundfesten, aschfahl und geifernd-grinsend deine fasrigen Krallen ausfährst wie Schlangen auf Medusas Haupt? Oh, Staub! Ich durchschaue deine List!“

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