Der heutige Wochenrückblick kann beim besten Willen nichts Gutes verheißen. Schließlich geht es um Menschen. Nicht Menschen, mit denen man gerne ein Bierchen heben will. Eher jene, bei denen nur abwinkendes Kopfschütteln bleibt. Solche, denen man lieber gleich aus dem Weg geht. Oder denen man bei Gelegenheit ganz gerne mal ihre Kauleisten gerade rücken will. Parteispitzen im „Die haben angefangen“-Kindergarten, Messerwetzer mit losen Kopfrädchen – Ach, und die ganzen Erzkonservativen und „Heimatretter“, die werden ja auch nicht ruhiger, ganz im Gegenteil. Also: Augen zu und durch!
Rücktritt, Zwei, Tip!
Mobbing, Kleinkrieg, Intrigen – und Sarah W. will nicht mehr. Gut, wenn man mit Kollege Bartsch die einzige Parteispitze stellen will, fährt man den Fraktionsvorsitzenden der Links-Partei, Kipping und Riexinger, eben auch gegen den Karren. Und jetzt, wo die Bundestagswahl ohne großen Schaden über die Bühne gebracht wurde, kann sich die Linke wieder auf eines ihrer allzu leidlichen Kerngebiete stürzen: Schlammschlachten in vollendeter Opernseife! Klar war, es wird Spannungen geben: Wagenknecht, die vermeintliche Hardliner-Realsozialistin, hat sich mit kritischen Äußerungen gegenüber unbegrenztem Flüchtlings- und Migrantenzuzug in raue See begeben, die selbst ernannten tatsächlichen Parteisozialisten und Teile der Medien waren schnell dabei, sie mit ihren im Kern bedachten Warnungen mitten in AfD-Gewässer zu stellen. Nur hilft die zwar löbliche, aber auch kurzsichtige Alles-Kann-Rhetorik der Kipping/Riexinger-Reformerecke auch wenig, wenn es um nachvollziehbare und durchsetzungsfähige Politik geht. Eine Blauäugigkeit, die neben ständigen internen Grabenkämpfen für viele immer noch als „Unwählbar“-Joker funktioniert. Es geht gar nicht darum, immer geschlossen zu agieren, Uniformität heißt selten mehr als Stillstand, aber die widerstreitenden Strömungen der Linken haben schon immer ein Händchen für RTL-Niveau gehabt. Fest steht mittlerweile, Sarah bleibt, man hat sich geeignet. Den großen Krach aber nur vertagt.
Stanislaw Tillich war da schon konsequenter: Sachsens Ministerpräsident wird nach dem schlechten Abschneiden seiner CDU im Freistaat im Dezember zurücktreten. Tillich mag keinen einfachen Job gehabt haben, vor allem nicht nach Zusammenbruch der sächsischen Landesbank, aber während Städte und Gemeinden immer weiter abgehängt wurden, übte er sich in Harren und Aussitzen. Seine Amtszeit war auch stets eine Zeit der Apathie, die das Erstarken von AfD und Pegida beiläufig durchwinkte. Ein Wechsel an der Spitze stünde dem Bundesland sicher gut zu Gesicht, nur muss es dann unbedingt Michael Kretschmer als Verkörperung des Rechtsrucks der Sachsen-CDU sein? Einer von Tillichs letzten fragwürdigen Momenten betraf die Forderung nach schärferer Asylpolitik, Kretschmer soll wohl der Ausputzer sein, der die Lücke zur AfD schließt. Eine Lücke, die gut und gerne Lücke bleiben kann. Es sieht düster aus für Sachsens Zukunft. Ist eine Abspaltung Leipzigs als eigenständiger Stadtstaat vielleicht doch eine Option?
München, Messer, Rosenheim
Wie zuletzt erwähnt hat Leipzig momentan sowieso genügend handfest-kriminellere Probleme als den braunen Sumpf im Hinterland. Doch wo es Messer gibt, gibt es Opfer, und das eben auch in München. Ein nach aktueller Auffassung unter Verfolgungswahn leidender und mittlerweile in psychiatrischer Behandlung befindlicher 33-Jähriger, der Polizei gut bekannt, sticht scheinbar wahllos auf acht Personen rund um den Rosenheimer Platz ein, darunter ein 12-jähriger Junge. Zwar wurde der Täter relativ schnell gefasst und lebensgefährlich verletzt wurde niemand, doch ist es wieder eine Eskalation sinnloser Gewalt und Ausdruck einer bleiernen Gesellschaft, die ihren Sinn für Empathie, Rücksicht und nüchternes Handeln verliert. Ein Amoklauf, wie ihn München erst letztes Jahr in voller Schwere getroffen hat. Und wie er die Berichterstattung gerade weltweit immer nachhaltiger prägt. Und auch wieder ein Grund für Misstrauen und Abschottung. Es muss dabei gar nicht mehr um Hautfarben oder Abstammung gehen: Die Angst, in einer gefährlicher werdenden Welt zu leben, steckt in den Menschen. Der Rückzug auf das Nationale gilt als einzig wirksames Methadon…
Rrrechts …2 …3 …4!
Auftritt: Österreich! Auch wenn es Bundespräsident van der Bellen wahrlich nicht geschmeckt haben mag – ist er doch selber zuvor von den Grünen aufgestellt und von einer Anti-FPÖ-Bewegung unterstützt wurden – musste er jüngst dem ÖVP-Vorderen Sebastian Kurz den Weg zur Bildung einer Regierung frei geben. Flüchtlingskrise und Migration hatte dieser von der rechts-populistischen FPÖ übernommen und unter geschicktem – und der Lindner-FDP nicht unähnlichem – Personenkult auf die Fahnen seiner verblassten Volkspartei geschrieben, ihr ein Gesicht gegeben. Jetzt steht er mit Anfang 30 in der Verantwortung für einen spürbaren, langläufigen politischen Kurswechsel Österreichs, der sich in Abgrenzung und menschlicher Härte artikulieren wird. Persönliche Absprachen mit FPÖ-Chef Strache hat Kurz schon geführt, überhaupt ist der Wahlausgang ein Sieg für beide Parteien. Die ÖVP ist mit großen Schritten auf den rechten Rand zugegangen und hat über eine charismatische Führungsfigur FPÖ-eigene Themen salonfähig gemacht. Zusammen stellen beide Parteien über die Hälfte der österreichischen Wählerschaft.
Und Tschechien zieht nach: Flüchtlingsgegner und EU-Kritiker Babis konnte mit seiner Protestpartei ANO die Parlamentswahlen deutlich für sich entscheiden. Das Visegrad-Bündnis, bestehend aus Tschechien, Polen, der Slowakei und Ungarn ist damit nahezu vollständig in national-konservativer Hand, lediglich die slowakische Smer-SD gilt trotz populistischen Auftretens noch als demokratisch. Babis selbst wartete auch nicht lange, um den Österreicher Kurz als weiteren wichtigen Verbündeten gegen die bestehende EU-Flüchtlingspolitik zu bezeichnen.
Es ist noch nicht lange her, da musste Geert Wilders in den Niederlanden eine empfindliche Niederlage einstecken, auch Le Pen konnte sich entgegen der Prognosen in Frankreich nicht gegen Macron durchsetzen – Es waren Situationen, in denen der nationalistische Ruck in Europa zumindest für den Moment noch beherrschbar schien. Bald darauf haben die Ewiggestrigen den Brexit in Großbritannien durchgedrückt, momentan scheint eine Aufspaltung Spaniens trotz fragwürdiger Versuche, die Katalanen ruhig zu stellen, kaum noch aufzuhalten. Nationalstaaten brechen auseinander, das Konzept EU stirbt einen langsamen Tod – Und Osteuropa findet absurderweise Gemeinsamkeiten im Ziel gegenseitiger Grenzziehung, mit Österreich auf Augenhöhe. Mit gerade knapp 13% für die AfD ist Deutschland regelrecht ein Hort demokratisch-gemäßigter Willensbildung in Europa, mit den Populisten regieren will niemand – Nur besteht die Gefahr, dass angesichts der Entwicklungen in den umliegenden Ländern auch diese Barriere irgendwann fällt. Und während man noch darüber diskutiert, wie hoch die Mauern in den Köpfen unserer Landesvorderen mittlerweile gezogen sind, übersieht man schnell, wie viele Bollwerke des Wegschauens quer durch die alte Welt schon errichtet wurden. Es wird kalt in Europa, die Vernunft friert!