Der Schreibtisch 13/2017 – Och nee, die SPD: Ein Requiem

Ja Mensch, was ließe sich nicht wieder alles schreiben: Wie der US-Föhnwellen-Pudel geradezu in Personalunion zur „Infantada“ (bitte nicht den Schreibfehler suchen) ausruft, wie sich De Maiziere quasi engelsgleich zum Retter aller entrechteten Flüchtlinge verklärt, wie einem all das angesichts vorweihnachtlicher Fressgelage und prokrastinierenden Witcher-Zockens gepflegt am Allerwertesten vorüber ziehen kann – oder man nimmt sich einfach die SPD vor. Einfacher geht nicht, und bei aller Liebe: Oh je, oh je, oh jemine…

Der große Leichtsinn

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Ein Hoffen, ein Bangen, ein Flehen, ein Zittern… Ach, wem soll ich was vormachen!? Eher ein genüsslich grinsendes Abwarten auf den Moment, an dem sich die Große Deutsche Sozialdemokratie bereit erklärt, mit wehenden Fahnen ihren selbst auferlegten Freitod anzutreten. Im Japanischen nennt man das „Seppuku“, bei uns einfach nur „kolossal dämlich“. Wie ein dummes, dummes Balg, was immer wieder den Kopf auf die heiße Herdplatte legt, um zu spüren, wie blöd es ist. Aber es hat ja auch nichts Anständiges gelernt…

Natürlich soll man sich nicht vor Verantwortung verschließen. Aber Verantwortung wofür und zu welchem Preis? Als hätten sie Jahre lange Große-Koalition-Versuche im kollektiven Winterschlaf übernächtigt und bis dato nicht geschnallt, warum ihre Mitglieder in Heerscharen die Flucht ergreifen und ihnen auch sonst keiner mehr zuhört. Die SPD hatte hier und jetzt die Chance, sich zu orientieren, an Inhalten zu feilen, Profil zu gewinnen, sich in vier Jahren Opposition neu aufzustellen und eine bis aufs Mark geschwächte Minderheitsregierung Merkel erfolgreich anzugreifen. Stattdessen wählen sie eine Kontinuität, die mit Stillstand noch gut beraten wäre, aber unweigerlich in lückenloser Zersetzung münden wird.

Geschichtsstunde

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Bis zu dem starken Kabinett Willy Brandt vergingen damals zwei Jahrzehnte. Zwei Jahrzehnte, in denen die SPD hart dafür gearbeitet hat, das Verständnis der CDU als – frei nach Adenauer – „rechtmäßige Herrscher der Nation“ aufzulösen. Mit Entspannungspolitik, einem Prozess aus Annäherung und Versöhnung, sozialen Auffangnetzen – mit einem neuen Gesicht für den Wirtschaftswunder-Motor BRD der Nachkriegszeit. Selbst unter dem vergleichsweise Hardliner Schmidt, dessen Fortführung einer humanistischeren Politik-Agenda unter dem Paradigma der „Inneren Sicherheit“ angesichts der Herausforderung RAF und Kürzungen im Sozialsystem aufgrund steigender Arbeitslosenzahlen erste Risse bekam, galt die SPD noch immer als Antithese zum Turbo-Kapitalismus des neuen Entmenschlichungs-Dreamteams CDU/FDP. Jene FDP übrigens, die jetzt indirekt die Schulz-Fraktion in die GroKo-Verhandlungen manövriert, damals schon per Misstrauensvotum der Regierungsverantwortung Schmidts ein Ende gesetzt hat.

Ganz ehrlich, selbst das „Noch ‘ne Flasche Bier“-Kabinett Schröder hatte mehr Chuzpe als 16 Jahre der Dicke zuvor oder die Nachfolge der berauteten Hänge-Wangenknochen. Und dass die Agenda 2010 ein – grauenhaft undurchdachter – Notfallschritt zur Auslöffelung einer über vier Legislaturperioden in den Dreck geschobenen Kohl-Suppe waren, darf nicht vergessen werden. Genauso wenig wie die Tatsache, dass unzählige Gezeiten Merkelscher Durchhalte-Lethargie neben überschwänglichem Statistik-Schönschreiben von eben diesem fragwürdigen Reformpaket profitiert haben. Stimmt, eigentlich wäre es mal wieder an der Zeit für ein paar Jahre SPD: Die innerdeutsche Politik steht mittlerweile angewurzelt auf hauchdünnem Eis, ein Klotz, den die Christdemokraten sonst nicht freiwillig hinter sich herziehen. Und wenn der Karren erst irreparabel die Endstation geküsst hat, wird am Ende doch nur wieder die parlamentarische Rote unter Schulz dafür verantwortlich sein, schließlich haben sie ja anno dazumal den Verhandlungs-Weg zu GroKo No. 4 geebnet.

Requiem

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Hat eigentlich jemand die jüngste Aussage Dobrindts mitbekommen, wonach jetzt die Sozialdemokraten nach einsetzender Gesprächsbereitschaft nicht gleich wieder mit störenden roten Linien herum fuchteln sollen, um Unruhe zu vermeiden? Ein klares Statement, was CDU/CSU von ihrem „Koalitionspartner“ erwarten: Den eigenen Machterhalt ohne individuelles Eingreifen absichern und im Vorbeigehen den einst größten Kontrahenten gleich mit ausschalten. Jeder Einstummige unter den Taubblinden riecht es meilenweit gegen die raueste Seeluft, dafür muss man nicht einmal Buchstaben oder Zahlen lesen können: Die SPD hat sich an den Rand der Bedeutungslosigkeit manövriert, proaktiv und energisch, ohne den Blick zurück zu wagen. Und dennoch können sie ihr so perfektioniertes Auf-der-Stelle-Treten nicht wenigstens für sich selbst beherzigen.

Liebe SPD, ihr wollt ja nicht hören. Weder auf euer Gewissen, auf euren Menschenverstand, auf die Leute da draußen, für die ihr angeblich Politik macht. Nicht einmal auf eure Jusos, die doch eure Zukunft sind, und deren Antrag auf Ausschluss einer neuen Großen Koalition ihr so rigoros abgewatscht habt. Ihr seid unvernünftiger als jedes Kleinkind, unbelehrbarer als jeder Unternehmensberater, gnadenlos verkrustet und altbacken. Und habt nicht einmal die Eier, den ausgeblichenen Rest eurer ach so wertgeschätzten gesellschaftlichen Mitte am Leben zu halten. Wenn ihr den Weg zur Großen Koalition antretet, seid ihr am Ende, da hilft nicht mal mehr das Stockholm-Syndrom als Ausrede. Aber ihr wolltet es ja nie anders. Godspeed und Farewell! Es war streckenweise ganz unterhaltsam mit euch!

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