Final Fantasy XV Tagebuch 01 –
Eine Retrospektive aus zwei Dekaden Fanboyism
Jetzt ist es also doch passiert, die Schatulle der Pandora (frei nach Layton) ist offen und ward nie mehr verriegelt. Der Witcher-Text hätte nie veröffentlicht werden dürfen. Den ganzen Rattenschwanz hätte man sich sparen können: Seite umbauen, Picto designen, Bilder aktualisieren, implementieren. Und alles nur für nerdigen Kleine-Jungs-Kram. Ja, Videospiele. Ja, ich bin über 30. Aber bei Gott, es macht halt einfach Spaß. Und wenn man nicht nur ins Kino und auf Konzerte und zu Lesungen und Messen und in der Weltgeschichte herum tingelt, sondern ebenso gerne mit dem Controller auf der Couch versackt: Dann Kruzifix noch eins, hat auch die Welt des Gamings seine Daseinsberechtigung in diesem Blog. Vorhang auf für: Das Gamepad! …Tusch! …Vorhang!
Nur, wie soll das jetzt angepackt werden? Keine Reviews, bitte keine Reviews. Nicht solange ich noch arbeiten gehen muss, um mir Wohnung, Essen und Schuhe zu leisten. Außer ich stelle jemanden an, der den ganzen Tag für mich daddelt und den ich in Kesselchips und Flensburger bezahlen kann. …Ich hab’s! Ein Tagebuch, Jahaaa! …Interessiert keine Sau, aber was soll’s. Das ist weniger Rezension, sondern mehr Reisebericht. Die Reise muss dazu nur groß genug sein. Und was für ein Glück, kennt sich ja gerade Square Enix (ehem. Squaresoft, in memoriam) mit dem Erschaffen riesiger Welten zum Eintauchen, Spaß haben und Zeit vertrödeln bestens aus. Und was für ein noch größeres Glück, hat sich mit dem Menschen hier an der Tastatur ein seit zwei Jahrzehnten treuer Jünger gefunden, der die Final-Fantasy-Reihe immer wieder willenlos in sich aufsaugt. Der dabei oft gerade auch die Teile toll findet, bei der andere die Nase rümpfen – für den beispielsweise das von allen so vergötterte Final Fantasy X in Sachen Story, Figuren und unnützem Level grinden eine kleine Katastrophe dargestellt hat.
Aber auf Anfang: Das wäre eigentlich Final Fantasy IV, kam aber mangels SNES erst später mit der Anthology. Also, dann doch, Final Fantasy VII! 1998 bei einem damaligen Freund gezockt und sofort unsterblich verliebt, bis heute. Ein Abenteuer, so vollgestopft mit liebevollen Biografien, kleinen Geschichten, denkwürdigen Orten und tatsächlich großen Schicksalsschlägen, die auch nach zwei Jahrzehnten noch ins Mark treffen. Cloud, Aeris, Tifa, Barret – allesamt ans Herz gewachsen. Und Sephiroth als sowohl einer der finstersten als auch anbivalentesten Antagonisten der Videospiel-Historie. Das Remake zum Klassiker ist nach wie vor in Planung und landet mitsamt PS4 in der Sammlung, sobald es erscheint. Amen!
Bald darauf erschien das ebenbürtige Final Fantasy VIII mit seiner epischen Geschichte und dem komplexen Kampf- und Magiesystem. Auch wenn das vielen wiederum nicht schmecken wollte, genauso wenig wie das futuristische Weltdesign. Für diese kam dann das mittelalterlich-malerische Final Fantasy IX gerade recht, was aber nach dem großartigen ersten Drittel leider zu sehr abflachte, um völlig zu überzeugen. Die Gegenden wurden lebloser, die Geschichte zweitrangiger, die Charaktere Klischee-beladener. Aber gut, Final-Fantasy erfindet sich mit nahezu jeder Veröffentlichung neu. Das erfordert Eingewöhnung, bringt naturgemäß Licht und Schatten mit sich, hält die Serie aber konsequent spannend.
Der Sprung auf die PS2 und damit in die 3rd-Person-3D-Welt bleibt dann für Final Fantasy X am Nachhaltigsten in Erinnerung. Bei aller Liebe: Aber nervige Figuren wie Tidus und Yuna, ein derart geradliniger und überraschungsarmer Handlungsbogen, die ewigen Schlauch-Levels, der Kitsch-Faktor und das viel zu lahm ausgebreitete Gegner bashen in der Monsterfarm – So hübsch Final Fantasy X war, so viel Geduld hat es bei allen kreativen Einschnitten auch abverlangt. Und die Erweiterung Final Fantasy X-2 war zwar auch nett anzusehen, aber als aufgeblähte Mädels–Modenschau mit RPG-Basis auch bald wieder aus dem Gedächtnis verschwunden.
Nachdem die Retro-Schiene mit dem mitreißenden Final Fantasy IV, dem im Vergleich dazu erschreckend langweiligen Final Fantasy V und dem wunderschön melancholischen Final Fantasy VI (einer der besten Spiele-Soundtracks aller Zeiten!) nachgeholt wurde, dann der überfällige Sprung in die Neuzeit: Mit Final Fantasy XII wollte Square Enix viel, sie wollten politischer werden, erwachsener sein. Hätten sie ihre Story nicht an allen Ecken und Enden dermaßen überfrachtet, Protagonisten und Handlungsfaden hätten sich nicht irgendwo im Nirwana aufgelöst. Dabei waren viele Ansätze so spannend, die Welt so belebt und farbenfroh, das innovative Kampfsystem zwischen Echtzeit-Dynamik und Rundentaktik schlicht perfekt. Der zwölfte Teil setzte zu hoch an und scheiterte an seinem Anspruch – Aber Spaß gemacht hat er trotzdem.
Und dann, schließlich: Final Fantasy XIII, eine Geschichte voller Missverständnisse! Und ich gebe es gerne zu, ich feiere es! Ich verstehe, dass es von vielen Leuten abgelehnt wird. Gegen die engen Levelgrenzen von XIII war selbst Final Fantasy X eine riesige Spielwiese, die Linearität der Handlung in Squares Universum bisher ungekannt, die Charaktere eindimensional, das Kampfsystem zu hektisch. So das vernichtende Urteil nach etwa einem Drittel Spieldauer. Doch dann bekommt jede der Figuren an geeigneter Stelle ihre eigene Geschichte und gewinnt mehr und mehr an Tiefe, nimmt die Story behutsam an Fahrt auf, wird vielschichtiger, emotionaler, dramatischer und geht irgendwann so nah wie seit vielen Jahren nicht mehr im FF-Universum. Wenn sich die bis dato strikte Regie später in die immense Weite der Archylte-Steppe öffnet, steht man so gefesselt mitten in den Geschehnissen, dass man weiß, warum die Entwickler den Spieler lange an der kurzen Leine gehalten haben. Und auch die Kämpfe, in denen man das Team kaum direkt steuert, sondern mehr über Gruppen-Kommandos taktiert, hat man längst verinnerlicht und lieben gelernt.
Das noch viel umstrittenere Lightning returns, der Abschluss der dreiteiligen XIII-Saga, stellt für mich gar einen der stärksten Final-Fantasy-Einträge überhaupt dar. Gerade das scheinbar einengende Korsett einer unerbittlich runterzählenden Weltuntergangs-Uhr erwies sich dabei als größter Motivator, mit dem nach Lust und Laune gespielt werden konnte. Und mit dem Fokus auf den XIII-Star, Lightning, als wohl zweischneidigste und kantigste Hauptfigur des gesamten FF-Universums, haben die Entwickler alles richtig gemacht. Final Fantasy XIII ist der mutigste und ambitionierteste Teil der Reihe und hallt lange nach dem Abspann nach.
Apropos mutig: Über viele Jahre wurde schließlich an Final Fantasy XV gewerkelt. Es sollte das Rundenbasierte über Bord werfen und reine Echtzeit zelebrieren. Man wollte endlich Open World inszenieren – und hat darüber hinaus der so typischen und liebgewonnenen Männer-Frauen-Party eine klare Absage erteilt. Vier junge Boyband-Typen, das machte schon beim ersten Hinsehen einen allzu glatten und gewollt stylischen Eindruck. Und mit dem Abschneiden so vieler wichtiger Zöpfe schien alles auf einen äußerst gezwungenen Neuanfang hinzudeuten. Die qualitative wie auch kommerzielle Bauchlandung schien nahezu vorprogrammiert. Zumindest höchst skeptisch durfte auch der kleine Fanboy dieser Entwicklung gegenüber stehen, aber zumindest eine Chance sollte diesem waghalsigen Unterfangen Final Fantasy XV dennoch gewährt werden. Es gäbe doch nichts Schöneres, als sich von düsteren Erwartungen lösen und am Ende des Tages doch noch positiv überrascht werden zu können…