Sie nannten ihn Spencer (Review/Film)

Sie nannten ihn Spencer - Trailer (Offiziell)

Sie nannten ihn Spencer

Dokumentation

27.07.2017 -- 125 min

R:
Karl-Martin-Pold

D:
Marcus Zölch, Jorgo Papasoglou, Bud Spencer, Terence Hill, Mario Pilar, Riccardo Pizzuti

Vier Fäuste für ein Halleluja
"Vier Fäuste für ein Halleluja"

Mach schon Platz, ich bin der Landvogt!

Wenn die 1,90m große und zeitweilig bis zu drei Zentner schwere neapolitanische Urgewalt Carlo Pedersoli alias Bud Spencer unter grummelnder Stimme und versteinertem Blick die Szenerie an sich reißt, tritt man lieber beiseite. Sich freiwillig per Doppelschellen und Dampfhammer den Scheitel ziehen zu lassen, das sollen dann doch die anderen machen. Es kann ja nicht jeder mit einem derart himmelfahrenden Todesmut gesegnet sein wie ein Riccardo Pizzuti oder ein Salvatore Borghese, ihrerseits Stuntmen und -koordinatoren, und sich in über einem Dutzend Filmen von Spencer und seinem wieselflink-akrobatischen und unerlässlichen Partner Mario Girotti aka Terence Hill freiwillig die Nucke zwischen die Rippen kloppen lassen. Doch die Ehrfurcht vor dem bärtigen Hünen rührt eben nicht nur von der grobschlächtig-zwanglosen Prügelchoreographie des durchschlagenden Dream Teams Spencer/Hill und der unnachahmlichen, Sprüche klopfenden Schnoddrigkeit, mit der sich die beiden – wesentlich zum Kult avanciert durch die kongeniale Synchronisationsarbeit Rainer Brandts – durch ihre Filme kalauerten. Italo-Western-Satiren und Action-Komödien, in denen die Rollen eigentlich immer klar verteilt waren: Egal, ob sie als Pferdediebe, Falschspieler oder Kleingauner auftraten, Spencer und Hill standen immer für das Gute und Lebensbejahende, das den Bösen reihenweise Dellen in ihre Gewürzgurken haut … und am Ende dennoch nie bekommt, was es will und verdient – „Futtetenne!“ würde Pedersoli sagen, sein Lebensmotto, ein echt neapolitanisches „Scheiß drauf“, ein Aufstehen, den Staub abklopfen und weitermachen – und damit Projektionsfläche einer beschwingten Leichtigkeit, die seit jeher nichts von ihrer Generationen übergreifenden Strahlkraft eingebüßt hat und zeit- wie mühelos auch die kommenden Jahrzehnte überdauern wird.

Dieser grenzenlos naive Optimismus ist es dann auch, der den Augsburger Marketing-Manager Marcus Zölch und den Berliner Bürokaufmann Jorgo Papasoglou, die beiden sympathisch-urigen Protagonisten aus Karl-Martin Polds Dokumentation und filmischer Denkmalsetzung „Sie nannten ihn Spencer“, antreibt, sich in Zölchs allradiges Bud-Mobil zu zwängen und eine beschwerliche Reise quer durch Europa aufzunehmen, um in Rom ihrem wuchtigen Idol so nah wie irgend möglich zu kommen. Jorgo ist von Geburt an blind, hat seit seiner Kindheit Bud Spencers Filme in grausiger Audioqualität auf Kassetten festgehalten und sich mit diesen trotz seiner Behinderung eine ungebrochene Lebensfreude erkämpft, die ebenso liebevoll wie ansteckend ist. Marcus erwartete nach einem Genickbruch die vernichtende Diagnose, mit großer Wahrscheinlichkeit querschnittsgelähmt zu sein. Ans Bett gefesselt hat er über Spencer und Hill erst das Lachen und schließlich wieder das Laufen gelernt. Eine Spencer-Marionette hat er sich von der Augsburger Puppenkiste als Geschenk anfertigen lassen und so wollen die beiden Vollblut-Fans, die nicht nur optisch ihren großen Vorbildern nahe stehen, sondern sich ebenso herzlich sticheln und angiften können, dem mittlerweile öffentlichkeitsscheuen Koloss in seiner Heimat ihren Respekt zollen.

Die rechte und die linke hand des Teufels
"Die rechte und die linke Hand des Teufels"

Ob sich die zwei dabei wirklich wie im Film dargestellt das erste Mal bei dem großen Bud-Spencer-Fantreffen in Pullman City im Harz zufällig getroffen und nach einer stattlichen Menge kühl Gezapftem lallend auf ihr Himmelfahrtskommando geeinigt haben darf ebenso bezweifelt werden wie ihr steiniger Weg über Frankreich nach Italien, der sie in einer Kräfte raubenden Schnitzeljagd wiederholt zu Freunden und Kollegen Spencers führt, die neben amüsanten Anekdoten immer nur einen neuen Hinweis parat haben, um das Schwergewicht aufzuspüren. Doch um eine rein sachliche Aufarbeitung der Person Carlo Pedersoli geht es dem Österreicher Pold hier auch nicht: Sein bis zum Bersten mit Archiv- und Gesprächsmaterial gefülltes und in acht Jahren Intensivrecherche realisiertes Porträt ist in erster Linie Unterhaltung und Zielgruppen-Service, ein Geschenk von Fans für Fans, dass die Road-Movie-Rahmenhandlung teilweise etwas holprig in sein filmisches Korsett zwängt und sich über eine Reihe gestellter Szenen einige künstlerische Freiheiten gönnt. Wer hier eine tief greifende Analyse des Schauspielers hinter der Haudrauf-Ikone erwartet, wird enttäuscht sein, bis auf kleinere und eher humorvoll transportierte Mankos werden die Gräben zwischen der Figur und dem Darsteller nivelliert, der Mensch Pedersoli wird auch nach dem Film fremd bleiben.

Doch das ist geschenkt, wenn man als Zuschauer weiß, worauf man sich einlässt: Einen knallbunten nostalgischen Ritt durch die belebte Vita Bud Spencers, über seine Jugend und Schwimmerkarriere als elffacher italienischer Meister, die umtriebigen unternehmerischen Vorstöße als Modedesigner, Erfinder, Pilot und Flugunternehmer bis hin zu seinen Geduld strapazierenden Starallüren und seinem exorbitanten Appetit (Stichwort: Fleischbällchen!) und Partyhunger – Erzählt mit kleinen und großen Geschichten einer schier überwältigenden Masse gut gelaunter Interviewpartner und Wegbegleiter Spencers aus dem internationalen Film-, Produktions- und Musikgeschäft, zusammen gehalten durch den flapsigen Off-Kommentar aus der Feder Rainer Brandts und vorgetragen von Hills unverkennbarem Stammsprecher Thomas Danneberg. Dabei ist es der wohl größte Wermutstropfen, dass Terence Hill selbst, der disziplinierte Professionelle neben dem grob aufspielenden Laissez-faire-Kleinkind Spencer und maßgeblicher Faktor für den unverschämten Erfolg des Gespanns (allein in Deutschland über 100 Millionen Kino-Zuschauer) ebenso Stichwortgeber bleibt wie der Rest der Gäste. So darf er zwar davon erzählen, wie die privaten Freunde Girotti und Pedersoli am Set aufgrund ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten aneinander gerieten, interessanter ist aber bald, wie der als Zwei-Finger-Joe aus den Plattfuß-Filmen bekannte Mario Pilar nach wie vor nicht verstehen kann, weshalb die ernsten Arbeiten mit ihm und Pedersoli wie in „Der Sizilianer“ bis heute wenig Resonanz genießen, zeigten sie Spencer doch in einem ganz anderen Licht. Amüsant ist es auch, als sich Marcus und Jorgo von dem mittlerweile weißhaarigen ewigen Prügelknaben und Fan-Liebling Riccardo Pizzuti in Toulouse ein bisschen vermöbeln lassen dürfen, herzerwärmend schließlich, als Jorgo gegenüber Guido de Angelis dessen Filmmusik-Gassenhauer auf dem Akkordeon nachspielt.

Bud Spencer und Regisseur von "Sie nannten ihn Spencer"
Bud Spencer mit Regisseur Karl-Martin Pold

Aber obwohl all diese Haudegen eine Rolle in Polds Universum spielen, viele der Situationen mit Oliver-Onions-Stücken untermalt sind und zahlreiche Filmszenen das Gezeigte stimmig ergänzen, dient die Dokumentation letztlich doch der Legendenbildung Bud Spencers. Marcus und Jorgo stellen die Identifikationsfläche für unzählige Fans und nehmen sie mit auf eine wohlige Reise in unbeschwerte Kinder- und Jugendtage bis hin zu einem wahrlich zu Tränen rührenden Finale. „Sie nannten ihn Spencer“ ist eine letzte bittersüße Verbeugung vor dem großen Mann mit dem großen Herz, der 2016 seine geliebte Bühne mit 86 Jahren für immer verlassen hat, in dem Wissen, fünf Leben in einem gelebt zu haben. Und obwohl sein Tod für die Wenigsten überraschend kam, hinterlässt er doch eine Lücke bei vielen, die in den 70ern, 80ern und 90ern mit seinem Werk groß geworden sind und den gutmütigen Riesen als Familie und Vaterfigur auf ewig in ihre Gedanken und Erinnerungen eingeschrieben haben. Polds Film mag dabei als kritisches Zeitzeugnis scheitern, als kurzweiliges und beruhigendes Trostpflaster mit Seele und Humor aber trifft er zielgenau.

2 Gedanken zu „Sie nannten ihn Spencer (Review/Film)“

  1. Hallöchen,
    kann nur soviel sagen, der Film steht schon auffe Liste. Kann ich mir als Spencer-Hill Fan nicht entgehen lassen. Gute Review, die mich nur noch mehr bestärkt dieses filmische Denkmal anzugucken. Bin übrigens nicht gespoilert worden, gut gemacht.
    Tschau mit V

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