The shape of water – Review/Film

The shape of water - Trailer (Official)

The shape of water

Fantasy-Romanze

15.02.2018 (D) -- 123 min

R:
Guillermo del Toro

D:
Sally Hawkins, Richard Jenkins, Michael Shannon, Doug Jones, Octavia Spencer

Vom Fisch und seiner Frau

Guillermo del Toro ist ein großes Kind. Ein Visionär und ein Träumer. Er entwirft Welten, die hier und da an der Realität anklopfen, aber doch nach ihren ganz eigenen obskuren Regeln funktionieren. Dass er dabei häufig im Politischen wildert und seinen Filmen einen gesellschaftlich relevanten Stempel aufzudrücken meint, steht seinen Kopfgeburten nicht selten im Weg. Bei Hellboy waren die Zweiter-Weltkrieg-Nazis bloße Platzhalter rund um das comichafte Außenseiter-Ensemble. Das Franco-Regime im vielfach gepriesenen Pans Labyrinth lenkte auch eher von der bittersüßen Coming-of-Age-Story ab und ließ die bildgewaltigen Fantasy-Elemente zeitweilig als Fremdkörper verpuffen.

Und in seinem neuesten Streich, dem Oscar-prämierten Shape of Water, muss er der zarten Romanze unbedingt einen Kalter-Krieg-Überbau spendieren, den es so nirgends gebraucht hätte. Dennoch: Del Toro ist hier mehr denn je feinfühliger Märchenonkel mit einem untrüglichen Gespür für die magische Macht der Kinobilder. Und die Erzählung einer ungewöhnlichen Liebe zwischen einer stummen Putzfrau und einem Mensch-ähnlichen Fischwesen in jedem Fall sehenswert.

Baltimore in den 1960er Jahren: Die stumme Waise Eliza Esposito (Sally Hawkins) geht motorisch ihrer täglichen Routine nach, verbringt etwas Zeit mit dem benachbarten Werbedesigner Giles (Richard Jenkins) und arbeitet mit ihrer redefreudigen Kollegin Zelda (Octavia Spencer) als Putzkraft in einer Forschungseinrichtung der US-Regierung. Eines Tages kreuzt mit dem reaktionären, sadistischen Strickland (Michael Shannon) ein neuer Sicherheitschef in der Anlage auf, im Gepäck eine im Amazonas gefangene amphibische Kreatur (Doug Jones), eine Kreatur mit Intelligenz und Persönlichkeit.

Während sich Eliza in einer Mischung aus Neugier und Interesse dem Fischmenschen nähert, möchte Strickland dieses von ihm so verhasste „Ding“ besser früh als spät tot sehen, damit es nicht zuletzt den Russen in die Hände fallen kann. Eliza spannt Giles für eine waghalsige Rettungsaktion ein und bekommt unerwartet Unterstützung von Chef-Wissenschaftler Bob (Michael Stuhlbarg), welcher die Ermordung des Geschöpfes ebenfalls um jeden Preis verhindern will. Auch gegenüber seinen russischen Auftraggebern, die den eigentlich Dmitri heißenden Spion mit der Vernichtung des Wesens beauftragen, um diese mögliche Geheimwaffe der Amerikaner unschädlich zu machen.

Schon die ersten Minuten in del Toros The shape of water sind ein sinnliches Fest für Kino-Genießer: Wie die Kamera seelenruhig durch überflutete Mietshaus-Flure schwebt, begleitet durch einen märchenhaften Off-Erzähler; Wie die triste und doch karge Schönheit der Apartment-Räume minutiös eingefangen wird; Wie draußen Baltimores Nachtleben in einem fiktiven Amerika der 60er ähnlich den farbenfrohen, surrealen Bühnenbauten Tim Burtons pulsiert; Wie die gesamte Atmosphäre an den grünstichigen Art-Deco-Stil eines Bioshock erinnert – All das ist atemberaubendes Set-Design und überträgt wohligen Zauber ungefiltert auf sein Publikum. Dazu bewegen sich die Darsteller derart natürlich durch diese wunderschöne Traumwelt, sodass die alternative Wirklichkeit von The shape of water schnell als Gesetzmäßigkeit akzeptiert wird.

Mit Auftauchen des dämonischen Strickland verfliegt schnell die umarmende Magie der Exposition, schließlich war del Toro noch nie um explizite Gewalteinschübe verlegen. Michael Shannon versucht auch nicht, gegen die Eindimensionalität seiner Figur anzukämpfen und gibt dem Affen einer gewissenlosen Regierungs-Marionette ordentlich Zucker. Freilich ist das höchst unterhaltsam, genau wie del Toros Spiel mit dem gegenseitigen Beharken von USA und Russland im Kalten Krieg – Nur spielt das für die Essenz der Narration keine wesentliche Rolle, wird die sich behutsam aufbauende Beziehung zwischen der aufgrund ihrer Stummheit ausgegrenzten Eliza und dem wegen seiner Andersartigkeit verachteten Amphibienmensch unnötig ausgebremst. Del Toro versteht es, mit skurrilen Prämissen aufhorchen zu lassen, ist aber kein begnadeter Autor und vergisst gelegentlich, wo der eigentliche Kern seiner Geschichten haftet.

Zum Glück wird er von einem erstklassigen Ensemble gestützt, das binnen Sekunden den Fokus auf die Charaktere lenken und den Zuschauer auf die emotionale Reise mitnehmen kann. Hätte Sally Hawkins anstelle von Frances McDormand den Goldjungen entgegen genommen, niemand hätte sich beschweren können. Ihr nuanciertes, vielschichtiges Schauspiel ist der alles erfassende Fixpunkt von The shape of water. Im Zusammenspiel mit del Toros langjährigen Wegbegleiter Doug Jones als „Er“, der Kreatur, steht und fällt das Funktionieren des Plots. Und beide harmonieren in einer solchen Selbstverständlichkeit, dass sich Fragen nach der Unmöglichkeit dieser Verbindung gar nicht erst stellen. Dazu setzen Octavia Spencer als gutmütige Quasselstrippe Zelda, Richard Jenkins als vom Leben gezeichneter Nachbar Giles und Michael Stuhlbarg als ethisch aufrechter Doppelagent Bob/Dmitri prägende Akzente.

Figurenzeichnung und ikonisches Flair machen The shape of water besonders, der eher geradlinige und überraschungsarme Handlungsverlauf wird sicher nicht den Ausschlag für den Oscar gegeben haben. Doch die herzerwärmende Ehrlichkeit, mit welcher der Regisseur seine Protagonisten gegen alle Widerstände zusammenfinden lässt, sind ein Fest für die Academy. Zudem zelebriert del Toro das letzte große Aufbäumen einer untergehenden Kino-Ära, mit Plakaten, Leuchtreklamen, Filmklassikern. Er bleibt Visionär, ein Träumer, bereit, einen jeden zu entführen, der ihn begleiten will.

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