Final Fantasy XV Tagebuch 08 –
Ins Herz der Finsternis (Ende)
Da steht er nun, der junge lucianische König Noctis, und weiß noch kaum, wie ihm gerade geschehen ist: Unter Schmerzen in den Kristall gesogen findet er sich vor Schwertgott Bahamut wieder, der ihn als Gott des Lichts anspricht und ihm eine folgenschwere Entscheidung aufbürdet. Mit der Kraft der Gottheiten und aller vergangenen Könige von Lucis wird es ihm möglich sein, die Finsternis zu verbannen und Eos neu erstrahlen zu lassen. Bitter ist dabei nicht nur die Erkenntnis, dass der Meteor nicht etwa Monster über die Welt brachte, sondern eine Seuche, durch die sich infizierte, einst normale Menschen in grausame Siecher-Dämonen verwandelten. Und Noctis muss als König des Lichts das eine große Opfer bringen: Sein Leben gegen das Leben der Menschheit. …Und Noctis akzeptiert.
Schnitt: Eine unbestimmte Zeit ist vergangen und sichtlich gealtert und gezeichnet erwacht Noctis vor der Küste des lucianischen Königreiches. Die völlige Finsternis hat die Welt heimgesucht, unzählige Siecher ziehen durch menschenleere und dem Tod geweihte Wälder, durch Straßen und Trümmer-Ruinen einstiger Siedlungen, während pechschwarze Asche vom Himmel regnet. Eine wunderbare Reminiszenz an die World of Ruin aus Final Fantasy VI, womit sich Final Fantasy XV erneut stilsicher beim Zitieren seiner eigenen Vergangenheit zeigt.
Ein bulliger LKW nähert sich in einer Schneise trüben Lichts in der Dunkelheit – und Noctis erkennt den gerade noch so kleinen Talcott, jetzt ein erwachsener Mann, gar nicht wieder, der dem König eine Fahrt zur militärisch umfunktionierten Hammerhead-Werkstatt anbietet. Viel ist passiert in den vergangenen 10 Jahren. Niflheim, Altissia, Lucis – sie alle sind zerstört und von dämonischen Wesen überrannt, lediglich Lestallum fungiert aufgrund der Kraft des Meteors als letztes Refugium der dezimierten Bevölkerung. Doch dorthin wird es den Spieler nicht mehr verschlagen. Gladio, Prompto und der tatsächlich dauerhaft erblindete Ignis warten auf ihren König und bereiten sich auf die entscheidende Schlacht im Herzen Insomnias vor.
Ein letztes Mal wird hier die Möglichkeit gegeben, unerledigte Aufgaben anzugehen und noch einmal in die Idylle des damaligen Lucis und Altissias zurückzukehren. Denn Final Fantasy XV hat sich einen interessanten Kniff überlegt, die einst offene Welt und die bedrückende Story-Enge des Finales zusammenzuführen: Seit Lunafreyas Tod bleibt Umbra, ihre Emissäre in Hundeform, an unserer Seite und gewährt bei Übernachtungen die Chance, in das Lucis der Vergangenheit zu reisen und noch einmal ein Stück der unbeschwerten Freiheit der ersten Spielhälfte zu genießen.
Insofern man von Unbeschwertheit sprechen kann, wenn man sich anschickt, die letzten schweren Level-99-Brocken der Nebenquest-Liste anzugehen! Besonders der Adaman Taimai wird sich als Kräfte zehrende Geduldprobe erweisen. Überall in Leide berichten Leute von starken Erdbeben und weil unsere Truppe mittlerweile aufgrund ihrer Überhaftigkeit in aller Munde ist, sollen wir doch bitte der Sache auf den Grund gehen. Dumm nur, wenn sich der große Berg zwischen Hammerhead und der Schnellstraße zum Galdin-Kai als eben jene sagenumwobene und gerade aus ihrem tiefen Schlummer erwachte Riesen-Riesen-Schildkröte herausstellt. 700 Meter hoch, 12 Millionen Tonnen schwer und dagegen: wir!
So wirklich spannend ist diese Mühseligkeit eines Kampfes gegen den Koloss dann aber leider nicht: Wenn man günstig steht und schnell ausweicht, wird man selten getroffen. Und wenn man nicht die Fähigkeit für Luft-Angriffserien in petto hat, kloppt man halt ewig auf den undurchdringbaren Panzer an den Schildkröten-Flossen ein. Zweieinhalb Stunden Ewigkeit, um präzise zu sein. Ufff! Da ist das Aufeinandertreffen mit der jüngst hinzu programmierten Wasser-Medusa-Furie Melusine (Kraweel! Kraweel!) bedeutend intensiver. Zwar kann man sie ungleich schneller ihrer Hitpoints entledigen, aber die schlägt, zaubert und wütet derart unerbittlich um sich, dass man schnell ins Schwitzen kommt.
…Doch eigentlich steht ja das große Finale bevor. Und wenn schon keine Zeit für ein bekömmliches Wiedersehen bleibt, dann machen wir mit den vier Freunden eben das, was sie am besten können: Losziehen und draufhauen lassen. In der Zitadelle Insomnias hat es sich Ardyn Izunia gemütlich gemacht und wartet seelenruhig auf die Ankunft von Noctis, um an diesem König des Lichts ein Exempel zu statuieren und der Blutlinie der Lucis Caelum ein Ende zu bereiten. Doch er kann uns noch so viele Siecher in den Weg stellen, und sei es auch ein Königs-Behemoth, so leicht lässt sich die gestählte Heldentruppe nicht mehr aus der Bahn bringen.
Ardyn weiß das selbst nur zu gut, sodass er auch den unter seiner Kontrolle stehenden Ifrit nur als Ablenkung und zum eigenen Vergnügen vor unsere Füße schmeißt. Dabei hat es der Feuergott dennoch in sich und lässt den Zitadellen-Vorplatz in genau dem lodernden Inferno aufgehen, in das wir ganz zu Spielanfang unvermittelt als Zuschauer geworfen wurden. Nicht einmal Bahamut kann der zornigen Gottheit Einhalt gebietet, erst ein eisiger Kuss seiner Geliebten Shiva beendet das Schauspiel.
Und schließlich stehen wir vor ihm: Vor Ardyn Izunia, einst Ardyn Lucis Caelum, verschmähter Erster einer langen Königslinie. Wobei es „wir“ nicht trifft, lässt er doch mit einem Federstreich Ignis, Prompto und Gladio in Ohnmacht sinken, um es mit König Noctis allein aufzunehmen. Durch die Luft, Häuserschluchten und gefühlt halb Insomnia bekriegen sich die Kontrahenten, wobei Square Enix die sonst so typische Überladung Epik zugunsten einer archaischen Mann-gegen-Mann-Begegnung zurückhält. Dass Ardyn keine Gefahr für einen Level-80-Noctis darstellen wird, war von vorn herein abzusehen, aber die prägnante, überraschend geerdete Inszenierung macht einiges wett.
Und auch im Nachgang beweist Final Fantasy XV eine Konsequenz, die es seit den ersten Stunden ankündigt, deren Einlösung aber doch nie selbstverständlich war. Hier wird sicher keine Aeris-Gainsborough-Schockstarre hervorgezaubert, dieser Paukenschlag bleibt dem unübertroffenen Final Fantasy VII vorbehalten. Aber Noctis leidet bis zum letzten Atemzug, muss den Thron besteigen und sich von den Schwertern aller vergangenen Könige durchbohren lassen, um das Licht über die ewige Nacht zu entfachen und Eos zu retten. Dass er schließlich, im endlosen Nichts, mit Hilfe der Königswaffen Ardyn Izunia den letzten Stoß verpassen kann und seine Lunafreya wiedersieht, tröstet nur wenig.
Und dann spielt es wieder: „Stand by me“, interpretiert von der wundervollen Florence Welch. Vor schwarzem Bild hören wir nochmals die vier Jungs zanken wie die Waschweiber, während sie den Pannen-Regalia mühsam aus der Königsstadt schieben und eine Reise ungeahnten Ausmaßes antreten. Und zuletzt sitzen sie am Lagerfeuer, am Ende eben dieser Reise, kurz vor dem Sturm auf Insomnia. Noctis will etwas sagen, etwas Wichtiges. Etwas, das seinen Mitstreitern gerecht wird – und findet keine Worte. Er steht auf, bedankt sich. Keine Theatralik, keine große Geste. Einfach: Ende!