Brett – WutKitsch (Review/Musik)

Die Review zu „Brett – WutKitsch“ ist Teil der Reihe „Klopper der Woche: Die Rock’n’Roll-Sommeroffensive 2018“.

Der Sommer 2018 darf bisher recht viel: Spaß bringen, Mücken verjagen, Regen vergessen – und das nahezu jeden Tag. Deshalb muss man nicht gleich in die nächstbeste Baileys-Bar oder Gabalier-Schunkelbutze springen, aber für schwerfällige Musik und das ganze Zum-Nachdenken-Gedöns bleibt halt auch keine Zeit. Was nicht heißt, das Gitarren nicht dürfen. Die dürfen wohl, so richtig nämlich, Hauptsache nach vorne, ins Gesicht, der guten Laune entgegen. Was gab es bisher 2018? Wo fließt der Starkstrom am Flüssigsten? Vorhang auf für eine neue Reihe: Klopper der Woche – Die Rock’n’Roll-Sommeroffensive 2018!

Brett - WutKitsch

Rock / Alternative / Indie

23.02.2018 -- Chimperator -- 37:02 min

Brett Hart

Es gibt Bandnamen, bei denen muss man nicht mehr nachfragen. Brett, das klingt nach Angriff, nach alle Zwölf und das Oberstübchen auf links gekrempelt. Hauptsache direkt und ohne doppelten Boden. Dann sieht man die vier Grünschnäbel, die hinter dem unzweideutigen Namen stehen. Ein paar Jungspunde, die ein bisschen ausschauen wie Kraftklub und – so viel sei versprochen – gar nicht mal so anders klingen. Damit scheint die Zielgruppe gesetzt, die Hipster-Alarmglocken schrillen, der nächste TrittBRETTfahrer ist gefunden. Ha!

Doch Contenance: Diese Wahl-Hamburger haben es faustdick hinter den Ohren! Haben in der Stadt an der Elbe in Jahren mühseliger Arbeit die „Hebebühne“ als mehrgeschossiges Kreativzentrum für Workshops, Proberäume, Theater und Konzerte hochgezogen und selber außerordentlich lange an ihrem Debut „WutKitsch“ gefeilt. Brett sind Musiker durch und durch, die nicht nach dem Mainstream schielen, lieber gut durchdachte und fette Ausrufezeichen setzen wollen.

Natürlich hat „WutKitsch“ dann auch die großen Melodien, die breiten Gitarrenwände, die Taktklatscher und Hallenfüller zwischen Indie, Rock und Art Pop, die man vorher erwartet. Aber eben auch eine gehörige Portion Stoner bis Classic Rock und ranzigem DIY-Vibe, denn Brett scheinen in jeder freien Minute ihre Plattenregale von Kyuss über Fu Manchu bis Led Zeppelin durchgesuchtet zu haben. Und Fronter Max Reckleben schreibt ein paar der süffisantesten Lyrics, die man außerhalb der (alten?) Hamburger Schule im deutschen Raum um die Löffel geworfen bekommen kann. Kostprobe?

„Und jetzt stehst du auf der Gästeliste. Doch dein Autotune will nicht mehr lügen. Und dein Spiegel fragt wie geht’s denn so. Doch du hörst nur dein Telefon.“

Damit frühstückt „Dein Autotune“ nicht nur alle heuchlerischen Pseudo-Popsternchen im Vorbeigehen, sondern punktet auch als cheesy Kopfnicker mit einer Überladung Fuzz und Verspieltheit. Kurz danach holt der ungestüme Punk-Brecher „Wüste“ gleich noch die ganzen selbst ernannten Ghettokrieger mit ins Boot:

„Auf die Plätze, 187, wo ist der Verstand geblieben. […] Alle hier sind Rapper. In der linken Taschen Koks, in der rechten ’ne Beretta. Tina trägt ’n Undercut und Theo trägt ’n Undercut. Ich frag‘ mich was passiert wenn irgendjemand mal was anders macht.“

Reckleben schafft es sogar, aus dem leidigen Thema Beziehungsende ein 5-Sterne-Menü zu zaubern:

“Und jetzt zünd‘ ich dein Haus an. Fütter‘ den Hund mit vergifteten Austern. Schlag‘ mein Zelt bei deiner besten Freundin auf. Achte mal drauf, auf mein Bild in der Zeitung. Bin das Gesicht der neuen Firmenleitung. Hast du noch Fragen nach all dieser Zeit. Das mit dem Hund tut mir leid.“

Mit dabei: Punktgenau sitzende Queens-of-the-Stone-Age-Anleihen, breitbeiniges Hardrock-Gegniedel und Recklebens Kratzstimme im Überschlagsmodus. Man merkt zu jeder Sekunde, dass Brett ihre Instrumente nicht erst seit gestern halten können, sondern leidenschaftliche Mucker mit viel Respekt vor ihren Idolen sind. Sie haben nicht vergessen, was eine Rhythmusfraktion ist und was mit funkig prominentem Bassspiel alles angestellt werden kann („Ein schöner Tag“), dass der dumpf-dreckigste Sound noch am Dicksten knallen darf („Dein Prophet“) und dass der Dance-Rock-Hype von Editors bis Hives durchaus seine Daseinsberechtigung hatte („Kollisionen von Millionen“).

Eigentlich will man den Jungs von Brett ja gar keine Schwächen ankreiden, weil sie so vieles richtig machen und dabei grundsympathisch rüber kommen. Aber natürlich glänzt nicht alles gülden: „Medizinmann“ und „Himalaya“ ziehen und zerren einfach nicht so, wie sie gerne würden. Und „Bono“ entwickelt sich zu einer streckenweise recht nervtötenden Angelegenheit. Zum Glück schaltet „Olymp“ kurz vor der Zielgeraden noch einmal ein paar Gänge hoch und reiht mit überlebensgroßem Rage-Against-The-Machine-Riff weitere Helden in den Zitatefundus ein, bevor der Song per Solo und im Übergang zum Rausschmeißer „Wir (für Giti)“ irgendwo zwischen David Gilmour und Santana zum Stillstand kommt.

In einer gerechteren Welt hätten Brett mit ihrem Erstling bedeutend mehr Aufmerksamkeit einfahren müssen, wenn der Großteil der Fachpresse schon reihenweise Purzelbäume schlägt. Nur sind sie für die hippe Youngster-Kundschaft am Ende zu retro, für’s Airplay zu räudig und allgemein immer wieder herausfordernd und anstrengend. Der Qualität von „WutKitsch“ tut das keinen Abbruch, auch wenn noch nicht alle Ansätze passen. Es bleibt dennoch ein überzeugendes Debut von Musikern mit Herz für alle, die eine wild-moderne Fahrt im Flirt mit Jahrzehnten klassischer Rockmusik zu würdigen wissen.

  1. Ein schöner Tag (Schade, dass Krieg ist)
  2. Dein Autotune
  3. Medizinmann
  4. Wüste
  5. Das mit dem Hund tut mir leid
  6. Himalaya
  7. Dein Prophet
  8. Kollisionen von Millionen
  9. Bono
  10. Olymp
  11. Wir (für Giti)

Highlights:

  • Dein Autotune
  • Wüste
  • Das mit dem Hund tut mir leid
  • Dein Prophet
  • Olymp

Brett - Das mit dem Hund tut mir leid (Official Music Video)

2 Gedanken zu „Brett – WutKitsch (Review/Musik)“

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