Der Schreibtisch 20/2018: When the Bundeswehr goes marching in

„Hey yo Captain Jack. Bring me back to the railroad track. Running to the railroad track. Run along with Captain Jack. Badadadeedado. Left right, right left!“… Ja, genau. Einem Land, welches zu derartigen Gräueltaten imstande ist, darf man den ein oder anderen Weltkrieg auch immer zutrauen. Und wer ist wieder daran schuld? Die 90er, natürlich.

Es hatte ja schon ein bisschen was von Weltflucht: Ein importierter Drill Instructor in Faschings-Kostüm, der zumindest laute Laute von sich geben konnte. Dazu ein bis zwei Hupfdohlen in knappen Zweiteilern, die so sicher von keiner Militärfraktion als Einsatzkleidung durchgewunken worden sind. Und fertig war das knallbunte Pendant zum tristen Bundeswehr-Alltag, die Antithese zu Wehrpflicht machen müssen und null Bock haben. Und dann, an irgendeinem schweren Tag, gab es die Bundeswehr nicht mehr, und es gab Captain Jack nicht mehr… Bis jetzt!

Geschäftsmodell mit Insolvenzrisiko

Bundeswehr

Die Union hat es wieder getan: Sie hat eine Idee! Nach den Maut-Running-Gags aus der Mitte und den Grenzpatrouillen-Plänen von der kognitiv herausgeforderten Schwesterpartei rechts außen schickt sich die große deutsche Christdemokratie erneut an, beim gemeinen Volk maximal zu punkten. Was nicht passt, wird passend gemacht. Was nicht attraktiv ist, wird wieder Pflicht. Und wenn die privatisierte Berufsarmee ihren Schnitt nicht bringt, muss eben anderweitig eingegriffen werden. Wenn man schon VW durchgezogen kriegt, kann das hier ja nicht so schwer werden. Aber siehe da, nicht einmal die FDP mag jubilieren.

Dabei hat sich das die Kramp-Karrenbauer ja ganz toll überlegt: Durch das Land ist sie gezogen, hat Menschen zugehört, und die wollen in erster Linie: Sicherheit! Sicherheit wovor eigentlich? Vor dem Dönerverkäufer an der Ecke? Dem ominösen Feind im Innern? Oder vor den bösen Waffen da draußen, vor den Toren der zarten, ungeschützten Grenzen der Republik? Also vor den Waffen, die wir in Multi-Millionen Tonnen jedes Jahr in Krisengebiete raus karren?

Private Paula

Stimmt schon, Schutz muss her. Und wie ginge das besser als mittels 12 Monaten Wehrpflicht für jeden gerade volljährig gewordenen, desinteressierten Spätentwickler (und Spätentwicklerin, wir sind ja mittlerweile weltmännisch und weltfräulich)!? Klar, nichts lässt nachts ruhiger schlafen als ein paar leicht beschädigte Post-Pubertäre, die in ausrangierten Sowjet-Übungspanzern den Rückwärtsgang suchen, auf die Suche nach dem WLAN-Kabel gehen und in den Keller der Kaserne geschickt werden, um etwas blauen Strom zu holen.

Die Bundeswehr hat damals schon nicht viel mehr geboten als ein temporäres Auffanglager für die paar Chaoskids, die gerne mit Waffen spielen wollten; für die peinlich Berührten, die sich nicht vorstellen konnten, Monate lang bei Rentnern das Trockene vom Arsch zu schrubben; und für die Armada der ganzen anderen Testpiloten, die einfach nichts Größeres mit sich vor hatten. Und das soll jetzt besser werden? Jetzt, wo die deutsche Berufsarmee bekanntermaßen einen toleranteren, weltoffeneren Ruf genießt als je zuvor? Ein mutiger Gedanke…

Denk‘ doch auch mal einer an die Alten!

Bundeswehr

…und eine Menge verschwendeter Energie. Gesellschaftlich relevante Dinge wie Tarifverträge für Pflegekräfte sind noch nicht ansatzweise in trockenen Tüchern (da hatte die Koalition wenigstens mal den richtigen Riecher) und die Herrschaftsoberen wollen schon wieder Krieg spielen oder sich zumindest dafür breit genug aufstellen. Könnte man nicht vielleicht erst die abgeranzten Krankenhäuser auf 2000er-Niveau sanieren, endlich (endlich, endlich…) in ein wenig Bildung investieren …oder Captain Jack revitalisieren!? Das hat zumindest etwas Spaß gemacht und die ganzen anderen Totgeglaubten kommen ja auch wieder.

Aber vielleicht ist das auch der große Plan: Wer keine Bildung hat, geht eher an die Front. Und wer erst mal da ist, braucht vielleicht auch kein Krankenhaus mehr. Und bevor er zu sehr über seine Situation reflektiert, wird er mit feinstem Eurodance auf Ballermann-Laune gezwirbelt. Hat man keine neuen Ideen, ist Retro halt schnell wieder schick. Vielleicht ist aber auch einfach nur die Hitze Vater der wirren Gedanken. Und da man sicher keine Kriege gewinnt, wenn man zum Strand marschiert, marschiert man lieber gleich in den Schützengraben. Sonst glaubt der Rest der Welt irgendwann noch, dass wir Deutschen nicht mehr die rechtmäßigen Besitzer von Zucht und Ordnung wären. Eine grauenhafte Vorstellung!

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