8 Millionen Menschen. Das sind so viele, dass eine Behelfs-Weltstadt wie Berlin ganz schnell blöd aus der Wäsche purzelt. Und all diese Millionen plus Pendler plus Touristen müssen irgendwo hingeschraubt werden, solange die Gesetze der Physik besagen, dass kein Körper sein kann, wo ein anderer ist. Und an so etwas Feiertäglichem wie dem Spring Bank Holiday kann jemand wie London dann ganz schnell an seine kapazitären Grenzen stoßen.
Also begeben wir uns heute nicht in Zentrums-nahe Direktion und meiden so gut es geht auch alle anrainernden Districts. Besonders weil die allgemeine Bombigkeit der Wetter-Situation dem Gute-Laune-Workflow-Management der vergangenen Tage noch einmal eine Effizienzoffensive beschert. Daher erneut Fuß gefasst in unserer Quasi-Lieblings-S-Bahn, der Docklands Light Railroad, nur verrückterweise in die entgegen gesetzte Richtung.
Nach Osten kann man dann ganz schnell ganz große Augen kriegen, ohne das Schienen-Zäpfchen überhaupt verlassen zu haben, während die DLR genüsslich ihre Runden um die einst sumpfige Isle of Dogs dreht. Der allgemeinen Genügsamkeit halber wurde diese Gegend der Canary Wharf trocken gepumpt und mit all den kleinen und großen Palästen der internationalen Hochfinanz vollgepflastert, die einem gerade in den Sinn kommen. Darf man abstoßend finden, imposant bleibt diese gesellschaftlich zweifelsohne unverträgliche Skyline allemal.
Unser Ziel liegt jedoch jenseits seiner kapitalistischen Molochigkeit, im Herz des beschaulichen Greenwich Village. Das wohl bildhübscheste Viertel unseres bisherigen Trips, wenn man das mal so unverfroren sagen darf – mit dem Greenwich Market als gesellschaftlichem Dreh- und Angelpunkt. Und damit einem Blumenstrauß aus liebevollem Kleinhandwerk und einigen nationalen wie internationalen Spezialitäten, in dem die Hektik der Metropole wie seit langer Zeit vergessen scheint. Ich muss dabei nicht einmal Souvenirs shoppen, mir reicht die selbst gepresste Zitronenlimo. Die Süße findet schon mehr kleine Devotionalien zu bezahlbaren Pfund zwischen Katzen-Figurine und Handtaschen-Notizbuch, mit karikativem Zweck für ein gutes Gefühl oben drauf.
Keine 200 Meter weiter dann, und es war bereits viel zu lange her, ein frisch gehopftes Ale unter strahlendem Himmel, während dem ich lieber nicht frage, ob es dafür nicht doch noch etwas zu früh ist. Außerdem steht die Cutty Sark genau hinter uns, da haben die Seeleute noch ganz anders gebechert, um ihren Skorbut aus den kalkigen Gliedern zu schütteln.
Diese Cutty Sark ist, nach Fremdeinschätzung, der wohl imposanteste und schnellste Großsegler, welchen die sieben Meere je zu Gesicht bekommen haben. Mittlerweile zwar ohne tonnenweise Tee-Fracht im Gepäck, aber verkleidet als haptisch herausforderndes und bis unters Kajütendach mit kleinen Spielereien bevölkertes Schiffsmuseum.
Demgemäß auf Störtebeker-Level getrimmt ruft sie natürlich, die große, weite See – gleich nach eingehender Überprüfung der korrekten Seezeitmessung vor Ort. Zumindest verläuft durch den nahen Greenwich Park der ominöse Null-Meridian, der zum fein-albernen Zeitzonen-Hopping einladen würde, könnte man ihn außerhalb der zahlpflichtigen Observatoriums-Mauern auf dem zentralen Hügel des Parks überhaupt lokalisieren. Ein sehr steiler Hügel übrigens, bei dem ich den „Ich nehm‘ dich Huckepack“-Plan trotz Leichtgewicht auf dem Rücken doch genauer hätte durchsprechen sollen.
Aber kein Aufschub! Segel setzen, Kurs nehmen, Entern, Har har har… Oder das Zweit-Verwegenste, sich mit den Thames City Cruises durch die Gegend schippern lassen. Jetzt wissen wir auch, wo Helen Mirren und Rowan Atkinson gewohnt haben, wie der „Prospect of Whitby“ von Wasserseite aussieht, dass der gegenüberliegende „Mayflower“-Pub seinen Namen seit den Pilgervätern trägt. Und vor allem wissen wir, dass es in dem direkt daneben befindlichen „The Angel“ noch viel gemütlicher sein soll, was uns der Tour Guide vollkommen selbstlos unter die interessierte Nase reibt (auch wenn eine gewisse Person fälschlicherweise meint, er hätte immer noch vom „Mayflower“ geredet… Tsss…).
Der „Mayflower“ stand ohnehin auf der To-Do-Liste, auch wenn mit seiner schicken Terrasse sicher mehr möglich gewesen wäre als biedere Bierbank-Romantik. Der „Angel“ entschädigt vielfach, mit träumerischer Wasser-Balustrade und bekömmlichem (!!!) Samuel-Smith-Hausbier. Der City-Cruises-Mensch behält wahr: Hier kann man wirklich „hours after hours“ verstreichen lassen. Auch bei schlechtem Wetter, wie es bald das erste Mal auf dieser Reise über unsere Köpfe fegt. Aber was soll’s? Morgen wird’s nochmal schön (…guter Treppenwitz!) und die Rückreise ist perfekt geplant (…bester Treppenwitz!). Und so chaotisch wie der Hinflug kann es nie und nimmer werden (…jetzt hör aber auf!). Oh, hätten wir doch nur den Hauch einer blassesten Ahnung gehabt. Oh my, oh my…
Schöner Beitrag, aber ein gewisser Autor hat da wohl zwei Pubs miteinander verwechselt – der Lieblingspub des Tourguides war eindeutig der Mayflower 😉 Im Angel war es aber wirklich gemütlicher, trotz des einsetzenden Regens
Das kann man sicher so sehen, Sie anonyme Person. Aber es macht Ihnen ja sicher nichts aus, damit kolossal schief gewickelt zu sein 😛
Keineswegs macht es mir etwas aus, völlig richtig zu liegen 😉 Vielleicht ist ein erneuter Londonbesuch notwendig, um endgültige Gewissheit zu schaffen 😛
Oder ich rufe einfach bei dem Fährverein durch. Das R-Gespräch zahlst du …pardon … zahlen Sie :p