London Diary 7 – Ultra-Worst-Case-Scenario in 3… 2… 1…[Ende]

Schon gepackt? Seit gestern! Apartment abgesucht? Mehrmals! Wetter? So mittel! Jegliches noch so leise Gefühl exaltierter Panik schwebt in weiter Ferne, denn bitte schön was… kann… denn… heute… noch… passieren!? Ja, was eigentlich!? Den vertrauten Weg zur vertrauten DLR das vertraute Gepäck geschoben und geschultert, dann die Central Line und die Piccadilly zum gleichnamigen Hot Spot – und von dort zu einem weit hinaus gezögerten Kurzbesuch in Londons Chinatown.

…Naja …Das hatte Manhattan aber schon bedeutend authentischer, belebter und parallelweltlicher drauf als diese scheinbar künstlich hin gezimmerte Touristen-Verlade. Ohne falsche Fuffziger streuen zu wollen und es kann auch alles an dem sich vermiesepeternden Wetter liegen, aber dieses Chinatown wirkt einfach nur falsch.

London
Chinatown light

Dann vielleicht doch gleich zur St. Pauls Cathedral, die wir schon zu lange auf linker Spur liegen gelassen hatten – Dabei kann man einen Rundumblick von der Kuppel aus über die Stadt nur schwerlich abschlagen. …Außer bei Regen… Erst zaghaft, bald nachhaltiger, schließlich dicktropfiger, tief britischer Stark-Sud. Ja, toll! Zumindest verspricht die Satelliten-Wetter-App Besserung (dieser Hustensohn einer Gicht-Arthrose!) – und wir terminieren das letzte große Festmahl im traditionellen „Blackfriar Pub“ eben kurzerhand vor.

Und wieder, als könnte man es nicht genug betonen: Tolles Essen mit Spaß dank Hähnchen, Cheddar und Bacon, köstliches Brown Ale und eine kunstvoll verzierte Einrichtung zwischen Restaurant-Gemütlichkeit und Public-House-Gedränge. Wenn wir wüssten, dass dies die wohl letzte angenehme Erfahrung unserer Reise wird… (außer vielleicht der Tatsache, dass wir uns trotz aller vor uns liegenden Widrigkeiten und Gräueltaten nicht zoffen werden!)

London
So muss Essen!

…Ein lauter Knall vor dem Blackfriar! Klang nach Autobombe, war aber „nur“ Donner in überschwänglichster Unheilsboten-Statur. St. Pauls ist damit gestrichen, der Oxford Circus sieht im Dauerguss auch scheiße aus – und die Shopping-Mall-Hölle „Topman“ hilft vielleicht nicht bei vielem, aber zumindest temporär gegen Radikal-Durchnässung. Damit bleibt der verfrühte Aufbruch zur Liverpool Station aber auch nur vertagt, also schnappen wir lieber jetzt als gleich unsere drölf Sachen und nehmen zielgerichtet Kurs auf Stansted Airport.

Schnurstracks zum Gleis, bloß nicht wehmütig werden, vor allem aber nicht ablenken lassen… Außer vielleicht von dieser unscheinbaren Ryanair-SMS: „Your flight has been cancelled.“ Das ist alles, fünf unangenehme kleine Worte, mehr nicht. Aber trotzdem erst mal hinfahren, Lage checken, wird schon alles irgendwie werden…

Auftritt: Chaos! Der Kontinent gibt Sturmwarnung, zwei Drittel der Flüge sind gestrichen, unser Flieger hat es nicht einmal auf den Weg zur Insel schaffen dürfen. Vor der Ryanair-Schalterreihe tummeln sich locker über 1000 (!) Menschen, mit EINER (!!) Bearbeiterin an der Endabfertigung. Nach zwei Stunden noch nicht ansatzweise Land sehend und das Handy nach Alternativen heiß suchend, mit wackeligem Airport-WLAN und Reststrom aus der Powerbank, irgendwann die Ernüchterung: Heute kommen wir hier nicht weg…

Mehr noch, die Durchsagen-Quatsche verlautet in schöner Regelmäßigkeit, vor übermorgen ginge schon jetzt nichts mehr. Während wir noch im hinteren Schlangen-Drittel oxidieren, justiert sie bereits auf drei Tage Vorlauf nach. Bringt nichts, einen neuen Arbeitgeber will ich mir auch nicht gleich wieder suchen dürfen – Also umgebucht auf British Airways, Business Class. Vom London City Airport, einen Tag später, Ziel Berlin Tegel statt Leipzig. Mit dem Stansted Express wieder zurück in die Stadt und kurzfristig ein Zimmer in Flughafen-Nähe geordert. Mit Eiern aus unbekannter Richtung werden wir beworfen in Canning Town. Dann überleben wir hautnah die klapprige Fahrstuhl-Klaustrophobie an der Royal Victoria Station – um einzuchecken in ein Hotel mit hellhörigen Wänden und geschlossener Bar, aber immerhin Blick aufs Wasser.

London
Verpixelt, dunkel - aber schön

Noch eine Nacht, die dreckigen Klamotten wieder über geworfen – Flughafen – Einchecken – Zeit vertrödeln – Warten …zu lange warten… Was bitte dauert das Boarding jetzt schon wieder so lange? Was heißt hier, Tegel gibt kein Go wegen Wetter? Schon wieder!? Nach 30 Minuten dann doch, fast unverhofft: Take-Off! Und auch wenn die First Class lediglich per Vorhang vom Rest der Kabine getrennt ist, gibt es zumindest mehr Beinfreiheit, besseres Essen, Scones zum Dessert und auf Nachfrage Ale oder Champagner zum Runterspülen.

Und fast sieht es noch nach bester Kurskorrektur für uns aus, als der Pilot trotz Turbulenzen sein Schiff sicher und ruhig auf die Landebahn manövriert, dabei noch Zeit rausholt, unsere Koffer schnell am Band sind und der Tegel-Shuttle-Bus zum Hauptbahnhof pünktlich ist. …Bis geschätzt 500 Meter vor Ziel: Stau! Endlos, zähfließend, Berufsverkehr. Und als Kirsche auf dem Verzweiflungs-Becher sehen wir unseren ICE noch vor der Nase wegfahren. Wie viel Scheiße bitte noch!?

…Zum Glück nicht mehr allzu viel. Außer, dass der Folgezug natürlich Verspätung hat, weil in Spandau Bäume um- und auf Gleise fallen. Am Ende ist die Deutsche Bahn dann wunderlicherweise flotter als gedacht, der Umstieg in Bitterfeld greift nahtlos und endlich …zu Hause!

Dennoch ein unwürdiger Abschluss für einen zwar ähnlich katastrophal gestarteten, aber dennoch rundum wundervollen Urlaub. Ein Urlaub mit viel sehen, entdecken, mitnehmen, mit mindestens 20.000 Schritten täglich, anstrengend und dennoch befriedigend. Aber auch hin und wieder etwas ernüchternd, was das sonst als so bezaubernd wahrgenommene Londoner Flair angeht. Ein Wiedersehen steht sicher außer Frage, aber vorher gibt es noch eine Menge andere tolle Ziele, über die man dann wieder viel zu viel schreiben kann. Irland beispielsweise …Und dann bitte gleich mit Fähre, per Büchersendung oder Flugtaxi! Danke!

3 Gedanken zu „London Diary 7 – Ultra-Worst-Case-Scenario in 3… 2… 1…[Ende]“

  1. Ach, im Nachhinein kann man über derlei Unwägbarkeiten natürlich sehr gute Anekdoten erzählen. Direkt vor Ort stell ich’s mir allerdings meganervig vor. Immerhin habt ihr’s überlebt. Und, ja, Irland ist bestimmt ne Reise wert.

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